Eine Aktion Der Volksbank Niederrhein Und Der Rheinischen Post Zuhause Unterwegs Xantens fast verschwundenes Erbe

Moers · Die Stadtväter wollten einst auf dem Areal der Colonia Ulpia Traiana ein Industriegebiet ausweisen. Doch es kam anders.

 Der Wasserspielplatz mit seiner Archimedische Schraube vor der historischen Kulisse ist gerade im Sommer ein Anziehungspunkt für Kinder.

Der Wasserspielplatz mit seiner Archimedische Schraube vor der historischen Kulisse ist gerade im Sommer ein Anziehungspunkt für Kinder.

Foto: Armin Fischer

Niederrhein Über 564.000 Menschen kamen im vergangenen Jahr nach Xanten, um den rund 60 Hektar großen Archäologischen Park (APX) zu besuchen. Damit ist die Rekonstruktion der Colonia Ulpia Traiana, in der Antike mit 10.000 Bewohnern zentrale Städte der Provinz Niedergermanien, das meistbesuchte antike Freilichtmuseum Deutschlands.

Erste Grabungen nahm der Niederrheinische Altertumsvereins Xanten bereits 1879 vor. Dennoch wäre die ehemalige römische Kolonie 90 Jahre später um ein Haar verschwunden. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts sollte nach dem Willen der Stadtväter auf dem Areal ein Industriegebiet entstehen.

"Die Baumaßnahmen hatten schon begonnen. Als ein Radlader eine römische Mauer beiseiteschob, gingen bei den Denkmalschützern alle Alarmglocken an. Es war klar, dass was geschehen musste", sagt APX-Pressesprecher Ingo Martell. Am 14. September 1973 beschloss der Landschaftsverband Rheinland (LVR) die Einrichtung des Parks auf dem Areal der ehemaligen Colonia unter seiner Trägerschaft. Kurz darauf wurde mit dem Aufbau begonnen.

Man entschied sich für die Rekonstruktion der ehemaligen Stadt. Eine Entscheidung, die polarisierte. Orthodoxe Bauhistoriker bezeichneten die Nachbauten von Tempel, Arena und der 6,60 Meter hohen Stadtmauer als "Scheinaltertümer" und "Falsifikate". Selbst APX-Initiator Christoph Bernhard Rüger vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn ahnte, wie gefährlich dicht an Disneyland die Colonia Ulpia Traiana wieder aufgebaut wird: "Wir begeben uns auf eine Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und Wissenschaftlichkeit."

Der Erfolg sollte die Entscheidung schon sehr bald rechtfertigen. Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung am 8. Juni 1977 haben 320.000 Menschen das neue Freilichtmuseum besichtigt. Die Erfolgsgeschichte hält bis heute an und hat dafür gesorgt, dass der APX mit seinen 200 Angestellten einer der größten Arbeitgeber in der Domstadt ist.

Das alles geschah immer im Einklang mit der Bevölkerung, betont Ingo Martell: "Es halten sich Gerüchte, dass Menschen für den Bau des Parks enteignet worden seien. Das ist völliger Quatsch, wird nie passieren. Unser Credo lautet: Wir legen uns auf die Wiese und warten, bis der Apfel vom Baum fällt."

Alles andere wäre auch gar nicht nötig. Denn schon heute verfügt der Park vom 18 Meter hohen Hafentempel über das 3000 Zuschauer fassende Amphitheater bis zum modernen LVR-Römer-Museum über eine Vielzahl an Attraktionen.

Ohnehin besteht der größte Teil des Parks aus archäologisch noch nicht erschlossener Grünfläche. Das hat gleich mehrere Gründe, erläutert Martell: "Wir möchten Bodendenkmäler nach Möglichkeit erhalten, weil wir annehmen, dass nachfolgende Generationen die Möglichkeit haben werden, sie ohne Grabungen zu untersuchen. Zum anderen wäre es ein riesiger Zeitaufwand." 50 bis 100 Jahre würde es dauern, eine der rund 30 Parzellen mit der Größe zweier Fußballfelder archäologisch aufzuarbeiten.

"Der ehemalige Grabungsleiter Dr. Norbert Zieling hat einmal ausgerechnet, dass die Ausgrabung aller Bodendenkmäler im APX ungefähr 300 Jahre dauern würde, etwa die gleiche Zeit dürfte dann noch die Ausarbeitung der Funde in Anspruch nehmen", so Martell.

Aber auch mit kleineren Schritten lässt sich die Attraktivität des archäologischen Parks kontinuierlich steigern, wie das Beispiel der vor zwei Jahren fertiggestellten Handwerkerhäuser gegenüber der römischen Herberge zeigt. Weil die, wie fast alle Bauten im Park, originalgetreu und mit denselben Materialien wie in der Antike gebaut werden sollten, standen die Bauherren vor einem Problem. "Die Handwerkerhäuser sind seit mehr als hundert Jahren die größten in Deutschland errichteten Lehmbauten. Es gibt dafür keine DIN-Normen. Wir haben sieben Jahre gebraucht, bis wir einen geeigneten Fachmann für Lehmbauten gefunden haben", erinnert sich Ingo Martell.

Der römische Park bietet aber noch weit mehr als die Besichtigung rekonstruierter Bauten. An vier Wochenenden im Jahr haben Besucher im Rahmen der internationalen archäologischen Sommerakademie die Möglichkeit, bei einer Ausgrabung zuzusehen und Fundstücke in die Hand zu nehmen.

Seit drei Jahren gibt es neben dem Römermuseum eine weitere Attraktion: In einem eigens errichteten Werftzelt werden römische Schiffe nachgebaut. Nach dem Lastkahn "Nehalennia" und zwei Einbäumen, die bereits im Park zu besichtigen sind, laufen seit einigen Monaten die Arbeiten an der "Minerva Tritonia", einem mächtigen Segelschiff, das nach einem Fund aus Mainz rekonstruiert werden soll. Am 11. September und 9. Oktober können Parkbesucher beim Tag der offenen Werft Schiffbauer Kees Sars und seinem Team zusehen sowie Fragen zum Projekt stellen.

(RP)
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