Heimat genießen - in Moers Zu Sankt Martin wandern die Gänse in den Ofen

Moers · Bereits Ende Oktober beginnt die Saison der Martinsgänse. Eine bekannte Adresse für diese Spezialität ist die Traditionsgaststätte Hufen, die nördlich von Repelen am Moersbach liegt. Die Vögel werden vom Inhaberehepaar Hufen-Weissbacher selber aufgezogen.

 Stefan Weissbacher inmitten der Gänseschar, die im Gehege neben der Gaststätte aufgezogen werden. Während der Saison haben es fast alle Gäste, die dort reservieren, auf die gebratenen Vögel abgesehen.

Stefan Weissbacher inmitten der Gänseschar, die im Gehege neben der Gaststätte aufgezogen werden. Während der Saison haben es fast alle Gäste, die dort reservieren, auf die gebratenen Vögel abgesehen.

Foto: Klaus Dieker

Der Niederrhein ist Gänseland", sagt Stefan Weissbacher. Wenn man den Gastronomen in seinem Gänsegehege stehen sieht, glaubt man ihm das gerne. Unzählige Gänse watscheln durch die Spätsommersonne, weichen vorsichtig aus, wenn der Halter ein paar Schritte macht, manche schlagen heftig mit den Flügeln und stoßen laute Rufe aus, als ahnten sie, dass die nächsten Monate für sie persönlich nichts Gutes bringen werden.

Das Ehepaar Hufen-Weissbacher führt den Gasthof Hufen nördlich bei Repelen, dort, wo der Moersbach die Stadt, die ihm den Namen geliehen hat, hinter sich lässt und seiner Mündung in den Rhein zustrebt. Wer sein Auto auf dem Parkplatz vor der Gaststätte abstellt, dem fallen zunächst einige Hühner auf, die unbeeindruckt herum staksen. Mit denen hat es eine Bewandnis, die Stefan Weissbacher erst später erklärt.

Der Besucher nimmt Platz in der Schankstube, an einer Wand hängen alte Fotografien, die das Gebäude in früheren Zeiten zeigen, aber auch ein abfotografiertes Schriftstück. "Das ist die Schankerlaubnis aus dem Jahr 1876", erläutert Weissbacher. "Aber das Haus muss schon so um 1800 hier gestanden haben."

Bereits zu dieser Zeit kehrten dort vermutlich schon Gäste ein, denn für einen Wirt war die Lage günstig, gelegen an der Straße von Repelen nach Orsoy. So mancher Reisende hat hier den Straßenstaub runtergespült. Heute ist die Gaststätte Hufen vor allem wegen ihrer Martinsgänse ein Begriff in der Region. Und die Saison steht vor der Tür. "Das geht am 20. Oktober los und dauert bis Weihnachten", sagt Weissbacher. In diesem Zeitraum werden vor Ort 800 bis 1000 Vögel verspeist. 90 Prozent aller Gäste, die für diesen Zeitraum reservieren, haben es auf die Gänse abgesehen. Üblicherweise beschäftigen die Inhaber zwei feste Mitarbeiter und eine Aushilfe, während der Saison der Martinsgänse kommen drei bis vier Kräfte mit dazu. Serviert werden diese, falls die Besucher keine besonderen Wünschen haben, "ganz klassisch, mit Apfel-Rotkohl, Bratäpfeln, Preiselbeeren, glasierten Maroni und Kartoffelklößen, oder auch Semmelknödeln, falls verlangt".

Angeblich ist der Brauch, in der Zeit um den 11. November, dem Martinstag, Gänse zu essen, einer alten Legende geschuldet. Der bescheidene heilige Martin sollte zum Bischof der französischen Stadt Tours berufen werden, versteckte sich aber in einem Gänsestall. Mit ihrem Schnattern verrieten die Tiere ihn, dafür müssen sie bis heute büßen.

Die Tradition der Martinsgänse ist in den vergangenen Jahren eher noch beliebter geworden. Ländliche Bräuche sind wieder "in", einschlägige Bücher und Magazine gehen weg wie geschnittenes Bauernbrot. Und der Niederrhein ist da eine Hochburg, Gänseland eben. "Nirgendwo in Nordrhein-Westfalen werden so viele davon gehalten wie in unserer Region, vielleicht noch in Ostwestfalen", meint der 52-Jährige.

Wer Wert darauf legt, zu wissen, woher die Vögel kommen, die er verspeist, kann sie sich bei Hufen vorführen lassen. In dem Gehege neben der Gaststätte werden sie von den Inhabern selber aufgezogen. "Wir bekommen die Gänse als Küken, und dann füttern wir sie an, natürlich ausschließlich mit pflanzlicher Nahrung." Hauptsächlich erhalten die Vögel gemahlenes Getreide, bei den jüngeren Tieren wird zusätzlich noch 20 Prozent Sojaschrot mit unter die Futtermischung gegeben.

Doch was war da noch mit den Hühnern? "Die halten wir als Indikatoren", sagt Weissbacher. Das sei so vorgeschrieben. Wasservögel wie Gänse sind weitaus robuster als das Hausgeflügel und werden eher krank, auf diese Weise dienen sie den Züchtern als Warnung vor einer Seuche, beispielsweise der Vogelgrippe. "Bislang hatten wir allerdings noch nie Probleme", versichert Stefan Weissbacher, der sich nach einer handwerklichen Ausbildung autodidaktisch zum Koch weitergebildet hat.

Gänse und Hühner sind nicht die einzigen Tiere, um die er sich kümmert. Er ist außerdem der Herr von rund 130 Bienenvölkern. Hinter dem Haus steht eine ganze Reihe von Kästen, um die es summt. Vorbeizugehen ist allerdings nicht gefährlich, die Tiere zeigen sich friedlich. der selbst produzierte Honig wird in dem Gasthof auch verkauft. "Im Sommer verteile ich die Bienenkästen auf verschiedene Standorte", sagt er. Stefan Gilsbach

(RP)
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