Moers Zwei "Glücksfälle" im Flüchtlings-Heim

Moers · Suada Redzovic und Nadil Sliewa flohen vor Krieg in ihrer Heimat. Seit kurzem betreuen sie Flüchtlinge in Moers.

 Von links: Die Asylbetreuer Nadil Sliewa und Suada Redzovic im Gespräch mit den Flüchtlingen Ahmed Imtiaz aus Pakistan und Mohamad ali Tammam aus Syrien.

Von links: Die Asylbetreuer Nadil Sliewa und Suada Redzovic im Gespräch mit den Flüchtlingen Ahmed Imtiaz aus Pakistan und Mohamad ali Tammam aus Syrien.

Foto: Klaus Dieker

Der junge Mann, der mittags im Unterhemd durch den Flur der ehemaligen Justus-von-Liebig-Schule schlurft, hat offensichtlich schlechte Laune. "Katastroph'! Zehn Mann in ein Zimmer, guck!", schimpft er. Michael Rüddel vom Sozialamt der Stadt Moers lässt sich von dem Ausbruch nicht aus der Ruhe bringen: "Was sollen wir machen? Wir mussten die Schule innerhalb von drei Monaten herrichten. Anderen Platz haben wir nicht." Seit kurzem sind vier Klassenzimmer der ehemaligen Schule mit Flüchtlingen belegt. Vor dem Eingang zum Pausenhof steht ein ehemaliger Container. Dort waschen und duschen sich die jungen Männer aus aller Herren Länder.

Betreuer all dieser Schicksale, die internationale Krisen hier angeschwemmt haben, ist Nadil Sliewa (56). Der aramäische Christ hatte 1995 seinen gut bezahlten Job als Chemie-Ingenieur auf den Ölfeldern des Iraks aufgegeben und war mit seiner Familie nach Deutschland geflohen. Er ist einer von zwei Menschen, die die Stadt Moers in den vergangenen zwei Monaten als hauptamtliche Betreuer für die mehr als 600 in Moers lebendenden Flüchtlingen eingestellt hat.

Auch Suada Redzovic (42) kümmert sich seit kurzem hauptamtlich um die Asylbewerber in der Grafenstadt. Die bosnische Serbin war 1997 vor den Bürgerkriegswirren im Kosovo nach Deutschland geflohen. Ihr Studium der Zahnmedizin setzte sie in Deutschland nicht fort. Stattdessen schrieb sie sich für Germanistik und Literaturwissenschaften ein. Seit vielen Jahren unterrichtet sie Deutsch als Fremdsprache an der Volkshochschule.

"Beide sind für uns ein Glücksfall", sagt Rüddel. Über den Bunten Tisch hatten sich die beiden lange ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit betätigt. Sliewa spricht neben seiner Muttersprache Arabisch, Turkmenisch und Kurdisch, Redzovic neben Serbisch Russisch. Beide bestätigen, dass eines der größten Probleme für die Neuankömmlinge die mangelnde Verständigungsmöglichkeit ist. Eine weitere Last, die allen gemeinsam auf der Seele liege: die lange Verfahrendauer der Asylentscheidung.

Doch ansonsten haben die Menschen oft nur wenig gemeinsam. "Unter den Familien, die ich betreue, sind Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, aber auch Analphabeten." Die wollen alle schnell und viel lernen", berichtet die 42-Jährige. Viele seinen vor Krieg und Verfolgung geflüchtet. Manche allein reisende junge Männer, die aus Nordafrika an den Niederrhein kämen, so die Erfahrung ihres Kollegen Sliewa, suchten dagegen oft nur ein besseres Leben in Deutschland.

Sliewa, dessen beide älteste Kinder inzwischen studieren, hat wenig Verständnis, dass einige seiner Schützlinge nicht so zielstrebig zu Werke gingen, wie er selbst vor 20 Jahren. "Einmal in der Woche müssen die Bewohner sich hier bei mir im Büro melden. Von acht bis zehn. Neulich kam einer um elf; noch in der Unterhose. Da habe ich ihn gefragt, ob er das zu Hause auch so macht." Ordnung muss sein, da lässt Sliewa nicht mit sich reden.

Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge, das zeigen die jüngsten Statistiken, wird auf Dauer in Deutschland bleiben dürfen. Doch Suada Redzovic findet, dass auch denjenigen die Möglichkeit gegeben werden sollte, hier etwas zu lernen, die voraussichtlich nicht die Erlaubnis bekommen werden, sich auf Dauer hier niederzulassen. Redzovic: "Das kann ihnen in ihren Heimatländern nur nutzen."

Daher wünscht sie sich für alle ihre Schützlinge, dass sie möglichst viel Kontakt mit ihren Nachbarn bekommen. Die Betreuerin hat eine Bitte: "Wichtig ist, dass man mit den Menschen redet; und wenn es nur über das Wetter ist.

(RP)
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