JVA Münster So fühlt sich ein Besuch im ältesten Gefängnis von NRW an

Düsseldorf · Die JVA Münster ist mit 160 Jahren das älteste Gefängnis in Nordrhein-Westfalen. Jetzt ist sie einsturzgefährdet. Unsere Autorin beschreibt, wie das Gebäude mit seiner besonderen Architektur auf Besucher wirkt.

Fotos: Gefängnis in Münster wird wegen Einsturzgefahr evakuiert
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Gefängnis in Münster wird wegen Einsturzgefahr evakuiert

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Foto: dpa, frg fpt

Beim ersten Besuch nimmt es einem den Atem, wenn sich die schwere Tür schließt. Ein Gefühl zwischen Ehrfurcht und Staunen überkommt mich auch nach Jahren noch, wenn ich mich an die Stunden erinnere, die ich in der Justizvollzugsanstalt Münster verbracht habe. Imposant wirkte sie mit Zinnen und Türmchen, die mit grau-blauen, teils verrosteten Gittern verriegelten Fenster waren wie Schießscharten alter Burgen.

Während meines Studiums war ich öfter in Nordrhein-Westfalens ältester Justizvollzugsanstalt, die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Mit anderen Mitgliedern der Hochschulgemeinde habe ich bis 2012 ehrenamtlich Häftlinge betreut. Alles an diesem Gebäude sagt: "Mich kann nichts erschüttern. Hier kommt niemand rein oder raus." Letzteres stimmt natürlich nicht. Das verrät schon das weiße Tor in der Frontseite des Gefängnisses. Gerade so groß, dass ein Polizeitransporter oder kleiner Lkw hindurch passt. Und auch für Besucher und Mitarbeiter öffnet sich dort eine schwere Metalltür.

Klingeln, anmelden an der Gegensprechanlage, dann ist man drin. In Nordrhein-Westfalens ältester Justizvollzugsanstalt. 160 Jahre ist sie alt — und das ist nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Denn das Gebäude, in dem mehr als 500 Gefangene untergebracht waren, ist einsturzgefährdet und muss bis Freitagnachmittag geräumt werden. Die Insassen werden in umliegende Justizvollzugsanstalten gebracht.

Alle Ehrenamtlichen, die sich in der Freizeitgruppe engagieren, mussten zuvor Fragen zu ihrer Person beantworten: Ich wurde gefragt, ob ich Drogen nehme, Kontakt zu Terroristen habe oder öfters nach Israel oder Palästina reise. JVA-Bedienstete unterrichteten uns über die Sicherheitsregeln: Wir dürfen nichts mitbringen, wir sollen keinen Briefkontakt aufnehmen und auch unsere Nachnamen nichts sagen — alles, was den Insassen Hinweise auf unsere Person geben könnte, sollten wir unterlassen.

Taschen, Jacken, Handys werden im Spind verschlossen, dann geht es über den Hof weiter in das Hauptgebäude — durch einen Flur, dessen Wände von alten Fotos und Zeitungsberichten geschmückt werden.

Das denkmalgeschützte Gefängnis ist sternförmig angelegt. An den Außenfassaden sind hier und da noch römische Zahlen zu sehen. Die einzelnen Gebäude der Anlage waren früher durchnummeriert. Auch die weiße Farbe am unteren drittel der Mauern ist geblieben. So konnten die Wärter Flüchtende besser erkennen. Die ganze JVA ist wie ein kleines Dorf angelegt. Das Zentrum ist der Gefangenentrakt. Die hohe, kalkweiße Kuppel lässt den Raum riesig erscheinen. Sie ist mit blauen Rechtecken bemalt, wirkt dadurch fast orientalisch. Hier und da ist etwas Putz abgebröckelt.

Bewusst haben die Architekten das Gefängnis mit einem Panoptikum gebaut. So haben die Wärter einen Überblick über alle vier Trakte und die drei Etagen. Wendeltreppen führen von Etage zu Etage. Die Gänge wirken auf uns Kurzzeitgäste verworren. Aber das Gebäude ist auch beeindruckend, wenn man als Besucher kommt. Die Insassen entwickeln wohl weniger Sinn für die Architektur.

Eine Durchsage: Die Häftlinge sollen sich versammeln. Nach und nach kommen die Teilnehmer, die meisten sind nicht älter als 35 Jahre, in unseren Raum. Dann lassen uns die JVA-Beamten mit den zehn Männern alleine. Die Tür geht zu, und nur der Blick durch das vergitterte Fenster auf den Basketballplatz erinnert in dem Raum daran, dass wir in einem Knast sind. Nur ausgesuchte Häftlinge, von denen nach Einschätzung der Psychologen keine Gefahr ausgeht, dürfen in die von uns angebotene Freizeitgruppe kommen. Wir quatschen, spielen Karten, trinken Kaffee. Wer zu uns kommt, wissen wir nicht. Wir wissen nicht, weshalb die Männer hier sind — vielleicht ist das auch ganz gut so. Für den Notfall gibt es eine Klingel.

90 Minuten später geht die Tür wieder auf, liegt die preußische JVA wieder vor uns. Alles erscheint ein wenig vergilbt. Wie ein altes Foto, das in der Sonne lag. Häftlinge kommen vom Sport zurück, kreuzen unseren Weg. Jetzt fühlt es sich vor der Tür am Traktende doch beengt an. Denn auch von innen wirkt die JVA wie eine Festung. Eine Festung, die bröckelt — vier Jahre nach meinem letzten Besuch — und geräumt wird.

(rent)
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