Nettetal 150 Jahre Liedertafel

Nettetal · Der MGV "Liedertafel" wird 150 Jahre alt. In einer Breyeller Hauswebstube wurde im Jahr 1866 erstmals gemeinsam im Chor gesungen.

 Das heutige Maxim-Gorki-Theater in Berlin war ursprünglich die Sing-Akademie. Das Gebäude wurde 1827 nahe dem Zeughaus errichtet.

Das heutige Maxim-Gorki-Theater in Berlin war ursprünglich die Sing-Akademie. Das Gebäude wurde 1827 nahe dem Zeughaus errichtet.

Foto: Peters/ von den bruck

Die Tafelrunde von König Artus hat über viele Generationen die Menschen immer schon fasziniert. Der Berliner Maurermeister Carl Friedrich Zelter, ein musikalischer Autodidakt, gilt als Begründer eine Bewegung, die sich "Liedertafel" nannte. Ursprünglich war das tatsächlich eine Tafel- oder eben Tischrunde, an der sich um 1800 herum in Berlin Männer zusammensetzen, um über Musik zu reden und die Liebe zum Gesang zu pflegen. Die "Liedertafel" war das Gegenstück der früher gegründeten "Sing-Akademie", in der "feierlichste Ernst" herrschte. Die sollte Liedertafel dem "heitersten Frohsinn" vorbehalten sein.

Diese Idee griff bald im ganzen Land um sich. Unzählige Gesangsvereine wurden gegründet, die den Akzent aber deutlich zum Liedvortrag hin verschoben - über die Musik diskutiert wurde in ihnen, wenn überhaupt, sehr wenig. In diese Tradition reihte sich vor 150 Jahren in Breyell der damals gegründete "Männergesangverein Liedertafel" ein. Für die Mitglieder im MGV ist das ein Anlass, sich auch mit der eigenen Geschichte zu befassen.

"Unsere Festschrift mit geschichtlichen Hintergründen ist fertig", verkündet Vorsitzender Paul Lienen, der gerade erst die Narrenjacke ausgezogen hat. Mit einem Festbankett wird der Verein am 5. März sein Jubiläum begehen. Die Wiege der "Liedertafel" stand in einer Hauswebstube in Beek, bei Heinrich Strucken. Hier kamen seinerzeit einige Breyeller zusammen, die zaghaft erste Versuche im Chorgesang unternahmen. Zweifellos orientierten sie sich an dem Ideal, das Zelter seiner Idee auf den Weg gegeben hatte. Nur verzichtete man darauf, "frugale Mahle" einzunehmen. Die Männer pflegten "deutsche Gemütlichkeit und Geselligkeit" und griffen auf vorhandenes Liedgut zurück. Bei Zelter wurden Lieder komponiert und gesungen. Öffentliche Auftritte gab es für die Ur-Liedertafel übrigens nicht.

Für die Breyeller stehen das Lied und das vereinte Singen sowie die Wahrnehmung von Aufgaben im kulturellen Leben innerhalb der Gemeinde bis heute im Mittelpunkt. Die Breyeller Liedertafel war ursprünglich ein Quartett. Es schlossen sich im Jahr 1866 weitere Sänger an. Ihr Dirigent war Heinrich Strucken. Der erste Sängerwettstreit fand bereits ein Jahr später im ehemaligen Kaiserhof in Breyell statt.

Die Feier des 40-jährigen Bestehens der Liedertafel ging als Großereignis in die Breyeller Geschichte ein. Mit mehr als 1000 Sängern und Musikern wurde das Fest gefeiert, ein großer Festumzug bewegte sich durch Breyells Straßen. Da das 50-jährige Bestehen der Liedertafel in den Ersten Weltkrieg fiel, verzichtete man auf große Feiern. Vielmehr bereitete der MGV sich ersatzweise auf den 60. Geburtstag im Jahr 1926 vor. Dieser runde Geburtstag wurde mit 60 Musik- und Gesangsvereinen gefeiert. Die Nazi-Diktatur und vor allem der Zweite Weltkrieg beeinträchtigten erneut das Vereinsleben. Während des Krieges war an proben nicht mehr zu denken.

Nach Kriegsende fehlten einige Mitglieder, die den Tod gefunden hatten, andere kamen erst nach und nach zurück in die Heimat. Die Proben wurden erst 1947 wieder aufgenommen. Ungebrochene Begeisterung und ein äußerst reges Vereinsleben prägten die 1950er-Jahre. Beim Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen im Jahr 1966 hatte Entwicklungsminister Walter Scheel, später Außenminister und Bundespräsident, die Schirmherrschaft übernommen. Er ist bekanntlich ein große Freund des Chorgesangs.

"Kameradschaft, Disziplin und das soziale Engagement" zeichnen bis heute die Liedertafel-Familie aus. Der Chor fühlte sich den Bürgern von Breyell stets besonders verbunden. Er sang bei zahlreichen festlichen Gelegenheiten und zeigte bürgerliches Engagement. Dennoch lässt sich nicht übertünchen, dass der Trend gegen den klassischen Männergesang geht. Es herrschen seit Jahren schon Nachwuchssorgen. Die Breyeller Liedertafel ging daher im Jahr 2007 mit dem Lobbericher Männergesangsverein "Hoffnung" eine Chorgemeinschaft. Sie hält bis heute an.

(RP)
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