Nettetal Ära Nicus endet nach 115 Jahren

Nettetal · Nach Funcke gibt mit "Nicus am Markt" das letzte Haushaltswarengeschäft in Lobberich auf. Vor 115 Jahren begann die Historie mit einer Kupferschmiede

Mit feinem Porzellan und Haushaltswaren ist kein gutes Geschäft mehr zu machen. Aus dieser Erfahrung seit 2006 ziehen Johannes und Elisabeth Bäumges nun die Konsequenzen: Sie schließen ihr Geschäft auf der Markstraße. "Der Online-Handel nimmt uns Kunden weg, auch das Käuferverhalten hat sich verändert", sagt Johannes Bäumges. Junge Leute würden sich kaum ein komplettes Service zulegen. Zudem würden viele nicht mehr heiraten, dieser Umsatzbringer fehle. "Vor 15 Jahren hatten wir noch 120 Hochzeitstische im Jahr, jetzt höchstens noch zwei."

Bäumges hadert allerdings etwas mit der Planung für Lobberich, die das Geschäftszentrum nach Westen verschoben und den Marktplatz fast abgehängt habe: "Wo der Verbraucher nicht vorbeikommt, das sieht er nicht mehr", sagt er. Denn "Nicus am Markt" liegt fast an einer Sackgasse mit nur wenigen Parkplätzen in direkter Nähe. Der Marktplatz sei zwar attraktiv ausgebaut worden, doch "er ist tot - bis auf drei, vier Veranstaltungen im Jahr".

Das Geschäft begann vor 115 Jahren mit Heinrich Mevissen. Er hatte sich mit 28 Jahren selbstständig gemacht und im Hause Hochstraße 61 (später Photobrock/Gaststätte Max Steeger, heute Spielcasino und Friseursalon Iltifat) eine Kupferschmiede mit Klempnerei eröffnet, handelte aber auch mit Gas- und Petroleumlampen, Emaillewaren sowie Küchen- und Haushaltsgegenständen. Nur ein Jahr später verlegte er das Geschäft zur Marktstraße 7 (später Tabakwaren Kauerz, heute Schlüsseldienst), 1918 zog er um zur Marktstraße 35. Dort übernahm der Neffe Hein Nicus 1948 das Geschäft, das fortan unter "Mevissen-Nicus" firmierte.

Nicus, von 1954 bis 1970 Bürgermeister in Lobberich, wurde der kleine Laden bald zu eng, er baute neu auf der gegenüberliegenden Ecke: unten zwei Läden, oben fünf Wohnungen. Das Haus entstand auf historischem Gelände, Anfang des 19. Jahrhunderts betrieb dort Eberhard von Bocholtz einen Bauernhof. Im 20. Jahrhundert richteten sich im "Ebbertzhaus" eine Weinhandlung, ein Schuhbasar, die Lobbericher Bank und Radio Bednarz ein. Mitte der 1950er Jahre war der bauliche Zustand des Hauses nicht mehr der beste, so dass Nicus mit seinen Bauplänen richtig kam und ein repräsentatives Gebäude am Markt entstand.

Nach dem frühen Tod von Hein Nicus 1973 führte seine Frau Gerta das Geschäft, ehe es 1979 Tochter Elisabeth mit Ehemann Johannes Bäumges übernahm. Sie erweiterten die Geschäftsräume auf 260 Quadratmeter, vergrößerten die Porzellanabteilung, beschäftigten bis zu vier Angestellte und bildeten 15 Azubis aus. Die beiden verheirateten Töchter hatten überlegt, das Geschäft "nebenher" zu führen, "wir haben abgeraten, weil es sich nicht mehr lohnt". Nach Mietern will Bäumges suchen nach dem Ausverkauf Mitte/Ende Januar.

(mme)
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