Nettetal Anti-Gewalttraining mit Realschülern

Nettetal · Beim Projekt "Stark im Konflikt" wurde den Schülern der Realschule Nettetal gezeigt, wie sich Auseinandersetzungen gewaltfrei lösen lassen. Helfen sollen dabei ein Theaterstück und verschiedene Rollenspiele in der eigenen Klasse.

 Beim Projekt "Stark im Konflikt" wurde den Schülern der Realschule Nettetal gezeigt, wie sich Auseinandersetzungen gewaltfrei lösen lassen.

Beim Projekt "Stark im Konflikt" wurde den Schülern der Realschule Nettetal gezeigt, wie sich Auseinandersetzungen gewaltfrei lösen lassen.

Foto: Siemes, Horst

Ein Schüler steht in der Mitte seines Klassenzimmers. Er wird beschimpft und rumgeschubst. Der Täter heißt Simon, er lacht sein Opfer aus. Die anderen Schüler sitzen drum herum, sie gucken nur zu. Und das ist auch so gewollt.

Simon Steimel spielt den Schläger lediglich. Er ist Theaterregisseur, arbeitet als Konfliktrainer an Schulen. Nun ist er mit seinem Projekt "Stark im Konflikt" zu Gast in der Klasse 7 a an der Realschule Nettetal. Die Schüler haben ein Theaterstück gesehen, das Steimel geschrieben hat. Es heißt "Tatverdächtige". Sechs Schauspieler setzen in verschiedenen Rollen die Ursachen und Auswirkungen von Gewalt in Szene. Es wird geschrien und beleidigt. Für manche Jugendliche trauriger Alltag. Nun sollen sie im Anschluss in einem Training in ihrer Klasse selbst den Umgang mit Gewalt lernen.

Es fängt an mit der Sprache: Dazu gehören der Blickkontakt zu seinem Gegenüber genauso, wie das richtige Auftreten und die Art und Weise des Sprechens. "Ihr müsst Stärke zeigen ohne den anderen weiter zu provozieren", sagt Steimel zu den Schülern. Manchmal genüge dafür schon ein strenger Blick, in anderen Fällen müsse man mit einem kräftigen "Stopp!" Einhalt gebieten.

"Wenn Euch jemand beleidigt, versucht möglichst cool zu reagieren und weicht dem Streit aus", erklärt Steimel. Gemeinsam mit den Schülern spricht er verschiedene Schimpfworte durch. Er zeigt ihnen auf, dass sie vieles, was sie sagen, gar nicht richtig verstehen. Im Anschluss werden verschiedene Verhaltensmuster und Reaktionen auf mögliche Beleidigungen in Rollenspielen durchgespielt. Auf "Du stinkst" sollte zum Beispiel eher ein freundliches "Danke für den Hinweis" folgen, statt mit "Stimmt doch gar nicht" den Konflikt weiter fortzuführen.

"Auch, wenn der andere Euch mit seiner Aussage verletzt, bleibt gelassen. Falls ihr wütend werdet, bekommt er genau das, was er will", erklärt der Theaterregisseur. Ganz wichtig: Immer ernst bleiben, den anderen niemals auslachen. Das heizt den Konflikt oft nur noch mehr an: "Er fühlt sich dann auf den Arm genommen."

Steimel spricht mit ernstem, strengen Ton. Besonders beim Thema Vernachlässigung und Mobbing von Mitschülern nimmt er eine fast mahnende Haltung an: "Das ist die schlimmste Form der Gewalt — ganz egal ob Zuhause oder in der Schule. Vernachlässigung führt zu Kälte. Sowas endet dann nicht selten in Selbstverletzungen, Suizid oder sogar einem Amoklauf." Es sind krasse, dramatische Worte, die Steimel wählt. Er schont die Schüler nicht. Sie hören ihm gebannt zu. Sie wissen, dass er ein wichtiges Thema anspricht. Viele von ihnen haben Gewalt in der Schule erlebt, in all seinen Formen. Mal als Täter, mal als Opfer — viele Schüler der Klasse 7 a geben es sogar offen zu. "Wenn wir behaupten würden, es gäbe keine Gewalt an Schulen, würden wir die Augen vor der Realität verschließen", sagt Joachim Sczyrba, seit November 2012 Schulleiter an der Realschule Nettetal. Die Lehrer wissen: Aus einem kleinen Spaß auf dem Schulhof kann schnell Ernst werden. Gewaltprävention liegt dem neuen Schulleiter deshalb am Herzen. Unter den Schülern gibt es ausgebildete Streitschlichter, in der gesamten Schule herrscht ein strenges Handyverbot: "Von Handys kann genauso Gewalt ausgehen. Viele Schüler gucken beispielsweise brutale Videos. Manche Eltern sind hier etwas blauäugig", sagt Sczyrba.

Finanziert wird der Vormittag mit dem Konflikttrainer durch den Förderverein sowie zehn Euro Eigenanteil von den Eltern. "Ich hoffe, dass die Schüler ihre Grenzen kennenlernen. Denn wer seine eigenen kennt, der gesteht auch anderen seine Grenzen zu", sagt der Pädagoge.

Als das Seminar zu Ende geht, steht Steimel vorne an der Tafel. Die Schüler verlassen nach und nach den Raum. Ein schlaksiger Junge bleibt stehen, bedankt sich. Dann schüttet er Steimel sein Herz aus. Er habe früher viel Gewalt erlebt, habe andere Kinder verprügelt. Das sei nun aber vorbei. Steimel reicht ihm die Hand: "Es freut mich, dass Du Deinen Weg jetzt gefunden hast."

(RP)
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