Nettetal Biologin rät: Einsame Vögel nicht einfach wegtragen

Zwischen Mitleid und Ratlosigkeit schwanken in diesen Tagen manche tierlieben Mitbürger: Soll man Jungvögeln helfen, die offensichtlich aus dem Nest gefallen oder von ihren Eltern allein gelassen worden sind? Wie man sich richtig verhält, erklärt Biologin Stefani Pleines von der Biologischen Station Krickenbecker Seen anhand eines "Vogelfalls" aus Kaldenkirchen.

Erst unbeholfene Hüpfversuche, dann ein klägliches Ziepen: Einsam, schwach, leicht zerzaust und scheinbar hilflos saß ein kleiner Spatz in der prallen Sonne. Vor einer Buchenhecke an der Johann-Sticker-Straße in Kaldenkirchen schien der Vogel sich selbst und seinem Schicksal überlassen. Hilfsbereit zeigte sich ein Anwohner, hob den jungen Feldsperling behutsam in den Schatten unter der Hecke, stellte ihm einen Eierbecher mit Wasser hin. "Gut gemeint, aber nicht nötig", meint Stefani Pleines. "Immer wieder versuchen Leute, Vögeln zu helfen, die vielleicht aus dem Nest gefallen sind oder verlassen wirken", so die Biologin. Doch besser sei es, nicht einzugreifen: "In dem Alter sind sie zwar noch von den Eltern abhängig und können noch nicht richtig fliegen, aber sie lernen so die Welt kennen."

Wer den Vogel wegnehme, riskiere damit, dass er die Eltern verscheuche: "Die kommen meistens schnell zurück oder sind sogar ganz in der Nähe." Richtig sei es in solch einem Fall, aus sicherer Entfernung den Vogel zu beobachten: "Ein paar Stunden immer wieder mal danach sehen, aufpassen, dass keine Katze kommt." Meist kümmern sich die Eltern um einen solchen Jungvogel, sagt Stefani Pleines: "Andernfalls hätte er eh keine Chance." Zudem sei in unserer besiedelten Welt die Gefahr groß, "unter die Räder" zu kommen.

Übrigens handelte es sich bei dem kleinen Spatz nicht, wie von Nachbarn vermutet, um einen Haussperling. Laut Stefani Pleines hat der Jungvogel die typischen Merkmale eines Feldsperlings: "Schöner rotbrauner Kopf, dunkler Wangenfleck, bunter Rücken, helle Federränder, heller Halsring bis in den Nacken." Und tatsächlich tschilpten in der Hecke und den Büschen an der Johann-Sticker-Straße seit Tagen etliche Feldsperlinge.

Der eigentlich im Volksmund Spatz genannte Haussperling, früher selbst mitten in Städten zu Hause, steht längst auf der Liste der bedrohten Arten: "Sein Bestand ging zurück, scheint sich aber zu erholen", berichtet Stefani Pleines. Dafür sei der etwas kleinere Feldsperling häufiger als früher anzutreffen. Er nistet gern in Mauerspalten, kleinen Baumhöhlen oder Nistkästen. Der Feldsperling lebt eher am Rande von Siedlungen und Städten, ist aber immer öfter in Gärten zu sehen — wie eben auch in Kaldenkirchen. Eigentlich ein Vegetarier, füttert der Vogel seine Jungen zunächst häufig mit Insekten und kleinen Weichtieren. Werden die Jungvögel kräftiger und selbstständiger, begnügen sie sich hauptsächlich mit pflanzlicher Kost. Beim kleinen Kaldenkirchener Spatz ging offensichtlich alles gut: Am Folgetag hüpfte er bereits durch die unteren "Etagen" der Hecke — zur Freude des Anwohners, der Biologin Pleines und am meisten wohl seiner Feldsperlings-Familie.

(jobu)
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