Nettetal Die letzten Fußfälle von Lobberich

Nettetal · Der Heimatverein "Stammtischrunde" spürte Standorten früherer Gebetskapellen nach, die an die Märtyrerverehrung in den einstigen Hauptkirchen Roms erinnern. Von sieben solcher "Fußfälle" gibt es nur noch zwei

 DieKapelle St. Rochus von 1635 in Sassenfeld ist eine der ehemaligen Fußfälle. Sie erinnert an die Pest besonders während des Dreißigjährigen Krieges.

DieKapelle St. Rochus von 1635 in Sassenfeld ist eine der ehemaligen Fußfälle. Sie erinnert an die Pest besonders während des Dreißigjährigen Krieges.

Foto: Busch

Vor 60 Jahren wussten die betagten Zuhörer im Heimatverein "Stammtischrunde" offenbar noch, wo es einst den "Frauenweg" gab. Denn der Volksschulrektor Josef Budde brauchte nicht zu erläutern, als er ihnen aus seinem Aufsatz im Heimatbuch vorlas: "In Lobberich war es noch vor 50 Jahren nicht selten, dass betende Pilger über den Frauenweg zum Hagelkreuz schritten und die einzelnen Fußfälle, die zerstreut nach den vier Himmelsrichtungen in der Feldflur errichtet waren, besuchten." Vom "Frauenweg" hatten auch die heute 80-Jährigen noch nie etwas gehört. Es half ein Blick ins Archiv der "Stammtischrunde".

Bei einer Gesprächsrunde im Jahre 1984 über Straßen im 19. Jahrhundert wurde berichtet, dass der "Frauenweg" von der Einmündung der Steegerstraße in die Kempener Straße quer übers Feld zum Hagelkreuz führte. Von diesem Weg ist seit Jahrzehnten nichts mehr zu sehen, da sich heute rund um das über 300 Jahre alte Hagelkreuz das Baugebiet "Am Wasserturm" erstreckt. Der Turm wurde zwar erst 1898 neben dem Hagelkreuz errichtet, hat aber mit seiner imposanten Größe die Namenshoheit erobert.

"Wo links der Weg nach Heggespoel abgeht", hatte Budde im Heidenfeld den ersten Fußfall an der Mühlenstege verortet, die vom einstigen Wasserwerk im Sittard am Wasserturm vorbei im Bogen über Heidenfeld und Rosental zur Neumühle (Gartz) im Sassenfeld führt. Aufklärung dazu gibt eine Karte aus dem Jahre 1813, in der als "Heggespollerweg" die heutige Färberstraße zwischen Steegerstraße und Werner-Jaeger-Straße bezeichnet ist. Am "Heggespoel" soll früher der Galgen gestanden haben. Der Fußfall existiert heute nicht mehr, wohl ist 1989 rund 300 Meter nordöstlich eine neue Kapelle an der Ecke Heidenfeld-/Erich-Selbach-Straße errichtet worden.

 Die Erimitage neben der Feuerwehr an der Düsseldorfer Straße ist ebenfalls einer der ehemaligen Fußfälle.

Die Erimitage neben der Feuerwehr an der Düsseldorfer Straße ist ebenfalls einer der ehemaligen Fußfälle.

Foto: Busch

Vom zweiten Fußfall wusste Budde nur, dass er "auf dem Leichweg am Sittard" gestanden habe. Wahrscheinlich sei das Hagelkreuz an seine Stelle getreten. Der dritte Fußfall muss ganz in der Nähe am "Bocholter Kirchweg" gelegen haben (nur zu einem geringen Teil identisch mit dem heutigen Bocholter Weg). Er wurde als Goerdt Sassenfelds Heiligenhäuschen bezeichnet. Der Namensgeber war nach 1700 Schöffe in Lobberich und wohnte am Markt (heute Restaurant Wedershoven/Ratsstube).

 Die Kapelle St. Rochus von 1635 in Sassenfeld ist eine der ehemaligen Fußfälle. Sie erinnert an die Pest während des Dreißigjährigen Krieges.

Die Kapelle St. Rochus von 1635 in Sassenfeld ist eine der ehemaligen Fußfälle. Sie erinnert an die Pest während des Dreißigjährigen Krieges.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Der vierte Fußfall hat alle Zeiten überdauert: die Eremitage am Feuerwehrgerätehaus an der Düsseldorfer Straße. Sie diente einst einem frommen Manne als Unterkunft, doch rettete ihn dies nicht vor einem Überfall durch den berüchtigten Räuber Fetzer und seine Bande. Der fünfte Fußfall stand auf dem "Platz an der Linde"; er ist in Erinnerung als St.-Nikolai-Kapelle. Nach dem Bau der neuen Pfarrkirche 1893 geriet er schon etwas in den Hintergrund, nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand der Fußfall, der nur noch unter einem von vier Säulen getragenen Flachdach stand, vollends. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Christophorus-Figur vor der Kirche, die bei einer Neugestaltung des Platzes an die Südwand der Kirche versetzt wurde, da Christophorus auch nicht mehr zu den Top-Heiligen gehörte.

 Die Eremitage neben der Feuerwehr an der Düsseldorfer Straße ist ebenfalls einer der ehemaligen Fußfälle.

Die Eremitage neben der Feuerwehr an der Düsseldorfer Straße ist ebenfalls einer der ehemaligen Fußfälle.

Foto: Busch

Nicht mehr vorhanden ist der sechste Fußfall, der nach Buddes Beschreibung an der Ecke Zur Nette/Krüßhütt gestanden haben muss. Das Kreuz wurde von der Familie Thoenes aus Sassenfeld im Jahre 1719 erbaut und war 1879 noch einmal erneuert worden. Es wurde "bald nachher abgebrochen". Bis heute steht der siebte Fußfall, die Pestkapelle St. Rochus an der Soup in Sassenfeld. Die einst ganz weltliche Sassenfelder Schützengesellschaft hat Rochus als Schutzpatron in ihren Namen aufgenommen, als sie sich den Bruderschaften anschloss. Wer nun die sieben Fußfälle abgegangen hatte, hatte sich nach der frommen Überlieferung auf eine "Römerfahrt" begeben. Neben diesen offiziellen Fußfällen gibt es noch zahlreiche Wegekreuze und Bilderstöcke, wussten die Mitglieder der "Stammtischrunde": bei Pötter in Dyck, der "Schwarze Herrgott" am Kölsumer Weg, am Hessenhof in Dyck, in Rennekoven am Höfchen (Nr. 16) und bei Buscherhöfe (Nr. 19), im Bocholt am Breuckelshof (heute Ploenes/Wienen). Es mag noch mehr geben, doch sie schwinden zunehmend aus dem Gedächtnis.

(mme)
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