Nettetal Familie Röös steht nach dem Brand vor dem Aus

Nettetal · Olga Röös (81) und ihre Enkelin Michelle (25) haben alles verloren. Schlimmer noch: Das Haus an der Nikolaus-Ehlen-Straße war nicht versichert, es ist abbruchreif, und die betagte Frau steht vor einem gewaltigen Schuldenberg.

Seit mehr als 15 Jahren ereilt ein Schicksalsschlag nach dem anderen Olga Röös. Ihre Tochter Cornelia und ihr Mann Jupp starben innerhalb weniger Jahre an Krebserkrankungen. Das inzwischen schuldenfreie Haus übertrug Olga Röös gegen lebenslanges Wohnrecht ihrer Tochter Ulrike, die gleich um die Ecke einen Friseursalon führte. Als Ulrikes Ehe scheiterte, nahm sie eine Hypothek auf das Haus für die hohen Kosten auf. Sie verschuldete sich zusätzlich wegen einer neuen Beziehung, die schnell in die Brüche ging. Die Eröffnung eines neuen Salons in der Innenstadt war bereits überschattet: Auch bei Ulrike wurde Krebs diagnostiziert. Chemotherapie und zahllose Operationen schwächten die Frau immer mehr. Sie starb im Januar 2014.

Olga Röös, die 47 Jahre lang eine Lottoannahme im Kreuzmönchdorf und bis März an der Bahnhofstraße betrieben hatte, erfuhr erst jetzt das Ausmaß der wirtschaftlichen Probleme ihrer Tochter. Sie hatte zahllose Briefe ungeöffnet gelassen und regelrecht versteckt. Da sie Kredite nicht mehr bediente, auch nicht mehr bedienen konnte und Versicherungsprämien nicht beglichen hatte, drohte die Zwangsversteigerung.

"Alle haben das Erbe meiner Tochter ausgeschlagen. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber das Haus haben mein Mann und ich uns vom Mund abgespart. Ich wollte unbedingt darin wohnen bleiben", sagt Olga Röös.

Sie hatte zuvor "mit dem letzten verfügbaren Geld" die Wohnung noch barrierearm hergerichtet, damit ihre todkranke Tochter darin im Rollstuhl hätte leben können. Enkelin Michelle pflegte ihre Mutter, bis sie starb - viel früher als ursprünglich von Ärzten angenommen. Olga Röös nahm schließlich doch das Erbe und damit die gewaltigen Schulden an. Den Weg aus der Misere trat sie nun an, begleitet von der Schuldnerberatung.

"Wir waren jetzt so weit, dass wir die dringendsten Schulden hätten tilgen und die Zwangsversteigerung vermeiden können", sagt sie. Ihr Sohn Bernd (59) hatte mit Hilfe von Verwandten den Betrag aufgetrieben, dann wäre es auch möglich gewesen, das Haus wieder ordnungsgemäß zu versichern. In der Wohnung seiner Familie in Süchteln-Dornbusch kann die Mutter vorerst wohnen.

Der vergangene Mittwoch hatte für die Familie noch bestens begonnen. Denn Enkelin Michelle, die mit ihrem Freund im Dachgeschoss lebte, unterschrieb morgens einen Arbeitsvertrag für eine neue Lottoannahmestelle in Kaldenkirchen. Sie erwartet ein Baby und war gerade deswegen überglücklich.

Ein technischer Defekt löste gegen 17 Uhr nach Angaben der Polizei das Feuer aus, das die Existenz der Familie vernichtete. Olga Röös war am Samstag noch einmal im Inneren des Hauses. "Da ist nichts mehr zu retten. Alles ist verbrannt oder vom Löschwasser zerstört", sagt sie. Während ihre unmittelbare Nachbarin, deren Haus ebenfalls erhebliche Schäden aufweist, sie sofort mit Vorwürfen überschüttete, die sie stumm über sich ergehen ließ, zeigt das Kreuzmönchdorf große Solidarität. Die Menschen wollen Geld spenden und Olga Röös und ihrer Enkelin helfen.

In der Stadtverwaltung hatte die alte Frau am Freitag zwiespältige Begegnungen: Auf der einen Seite gab es große Hilfsbereitschaft, andererseits wurde ihnen kühl beschieden, sie müssten ihre Ansprüche mal ein ganzes Stück zurücknehmen. Man könne sie nur in einer Obdachlosenwohnung an der Breslauer Straße unterbringen. Michelle mag sich von ihren beiden Hunden nicht trennen. Eine Wohnung ist auf die Schnelle nicht zu bekommen, da durch die Flüchtlingsflut der Wohnraum in der ganzen Stadt knapp geworden sei.

In höchster Not half jetzt Pfarrer Benedikt Schnitzler, der Michelle und ihrem Freund am Sonntag spontan ein Zimmer mit Bad im Brigittenheim zur Verfügung stellte. Sie hätte sonst mit dem Bus von Niederkrüchten aus nach Kaldenkirchen zur Arbeit fahren müssen - was kaum zu schaffen ist.

Unterstützung hat neben anderen Bürgern auch Ortsvorsteher Ingo Heymann bereits zugesagt. Der Verein Kindertraum spendet alle Einnahmen, die er im Geschäft in dieser Woche erzielt. Der Verein koordiniert vorläufig die Hilfe, sucht aber nach festen Helfern. "Wir benötigen jemanden, der die Familie unterstützt und begleitet, bei dem die Fäden zusammenlaufen, damit die Hilfe nicht unstrukturiert bleibt", sagt die stellvertretende Vorsitzende Elvire Kückemanns. Sie ist vorerst Ansprechpartnerin für alle, die helfen wollen, Telefon 02157 6119. Zu Beginn der Woche soll ein Spendenkonto eingerichtet werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort