Nettetal Gastliches Haus mit Geschichte

Nettetal · Das fast 400 Jahre alte Hotel "Stadt Lobberich" steht zum Verkauf. Es war über lange Zeiten der gesellschaftliche Dreh- und Angelpunkt des Ortes. Besitzer Rüdiger Pies setzt sich zur Ruhe.

Wenn einige der Mauern des Hofgebäudes an der Hochstraße erzählen könnten, kämen fast 40 Prozent der 1000-jährigen Lobbericher Geschichte zusammen. Denn nach den Mauerankern ist das Gebäude im Jahre 1617 errichtet worden. Überliefert ist, dass das Anwesen während des Dreißigjährigen Krieges von einem Rütges Kessels bewirtschaftet wurde.

Der Name Kessels findet sich dann bis 1890 in der Besitzer-Liste. Darunter ist von 1835 bis 1864 auch der des legendären Lobbericher Bürgermeisters Johann Heinrich Kessels, dem auch noch die Burg Ingenhoven gehörte, die damals aber keine Gaststätte war. Nach Konrad Bispels (1890 bis 1918) brach die Ära Bellenberg an, ab 1938 war das Hotel im Besitz der Familie Willi Dammer, erst Senior, dann Junior. 1987 erwarb es Rüdiger Pies, der aus Neuss kam. Nach 22 Jahren will er sich nun aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe setzen. Er ist schließlich auch schon 70 Jahre alt und hat in der Familie keine Nachfolger.

War das Kesselsche Anwesen von Anfang an bereits Übernachtungsstation für Durchreisende, so wurde es im 19. Jahrhundert offizielle Posthalterei, in deren Remisen die Pferde und Kutschen standen. Sie diensten der Personenbeförderung, doch wurde auch die Post von hier aus nach Breyell zum Bahnhof gebracht, bis ab 1868 Lobberich ans Eisenbahnnetz angeschlossen war.

Zum Hotel gehörte früher auch ein Saal, der Ende der 1950er Jahre abgebrochen wurde, weil die Sparkasse an der neuen von-Bocholtz-Straße bauen wollte. Vor allem im ersten Nachkriegsjahrzehnt, als der Kolpingsaal noch in Trümmern lag, fand hier buchstäblich alles statt, was Lobberich auf die Beine brachte: Konzerte der Gesangvereine, Karnevalsabende des Heideröschens, Theaterspiel der Schulen, Weihnachtsausstellungen des Werberinges.

"Dammer" ist früher das Vereinslokal des Lobbericher SC gewesen; entsprechend knubbelte es sich dort immer, wenn die Fußballer gewonnen hatten. Der MGV Hoffnung hat heute noch sein Probenlokal in der "Stadt Lobberich"; auch die Stammtischrunde der Heimatfreunde tagt in dem traditionsreichen Lokal, dessen großen Gastraum noch immer ein voluminöser Stammtisch prägt. In diesem "Braustübl" kann man "bis in die Nacht hinein ein gepflegtes Bier trinken". Auf der Kegelbahn im Anbau sind rund 40 Klubs teilweise seit Jahrzehnten zuhause. Zu Lobbericher Gemeindezeiten fungierte die Kegelbahn auch manchmal als Wahllokal. Vom Hoftor aus zugänglich ist ein kleines Ladenlokal, in dem gegenwärtig Fischspezialitäten angeboten werden.

Das Gebäude an der Hochstraße, die hier Fußgängerbereich ist, steht unter Denkmalschutz; das gilt nicht für den Anbau in Richtung Stöppken/Brockerhof, von dem aus das Areal auch mit dem Auto zu erreichen ist.

(RP)
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