Nettetal Gedenkandacht: "Sie verbrennen Dein Heiligtum"

Nettetal · Auch am Mittwochmorgen flackerten noch einige Kerzen auf dem Granitband an der Synagogenstraße. Teilnehmer der Gedenkfeier zum Jahrestag des Pogroms am 9. November 1938 hatten sie dort auf den nachgezeichneten Umrissen der Kaldenkirchener Synagoge abgestellt.

32 Teilnehmer der "ökumenischen Gemeinde", wie Pastor Andreas Grefen in der evangelischen Kirche formulierte, erlebten eine würdige Gedenkandacht. Einige Bürger gesellten sich dazu, weil sie von ihren Fenstern beobachteten, dass die Menschen mit Lichtern in den Händen zum Standort der ehemaligen Synagoge gingen. Pfarrer Grefen verlas die Namen 32 jüdischer Bürger Kaldenkirchens, die deportiert und in Ghettos und Konzentrationslager ermordet wurden. In der Kirche hatte er den Psalm "Sie verbrennen Dein Heiligtum, bis auf den Grund entweihen sie die Wohnung Deines Namens..." verlesen. Dabei wurde die Gemeinde auf das "Selbstbildnis mit Judenpass" des jüdischen Malers Max Nussbaum aus dem Jahr 1943 gerichtet. Es spiegelt die Atmosphäre der Verfolgung und Unterdrückung jüdischer Menschen wider. Nussbaum versteckte sich in Brüssel, wurde aber denunziert und starb in Auschwitz. Pfarrer Grefen ging auf Psalm 112 ein, in dem es unter anderem heißt: "Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir (Jerusalem) Frieden wünschen!"

Am Nachmittag des 10. November 1938 wurde das Dach der Kaldenkirchener Synagoge zum Einsturz gebracht, es wurden Scheiben jüdischer Geschäfte und Wohnungen zerschlagen, grölende SA-Leute marschierten durch den Ort. "Nie wieder darf so etwas geschehen, nie wieder darf in unserem Land Hass Menschen bedrohen, die anders glauben, denken und leben!" Und weiter: "Das Trauma jedes einzelnen jüdischen Überlebenden ist zugleich ein kollektives Trauma des Staates Israel. Es mag sein, dass die Politik Israels in manchem kritikwürdig ist. So fragwürdig und kritikwürdig wie die Politik anderer Staaten auch. Aber wer welchem anderen Staat wird wegen fragwürdiger Politik das Existenzrecht abgesprochen?" Andreas Grefen mahnte: "Wir als Christen und Deutsche sind wahrlich nicht dazu berufen, Richter über Israel zu sein. Besser steht uns an, Juden, wo immer wir ihnen begegnen, merken zu lassen: Sie sind nicht alleingelassen in Anfeindung und Bedrohung.

Ein Gebet mit Worten von Papst Johannes XXIII., eine biblische Lesung von Bernhard Müller, das Glaubensbekenntnis, erwachsen aus der jüdisch-christlichen Begegnung, Lieder, darunter der Ungarin Hannah Senesh (1921-1944), 1944 hingerichtet wurde, waren Inhalte der Gedenkandacht, die die Menschen in ihren Bann zog.

(sa)
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