Nettetal Günter Grass war als Kind in Lötsch

Nettetal · Vor dem "Häuten der Zwiebel" hat er auf den Feldern Spargel gestochen.

Gewiss: Düsseldorf und der Niederrhein haben den 19 Jahre alten Günter Grass Anfang 1947 mit Frost und Schnee empfangen, doch hatte er das Nettetal schon bei weitaus angenehmeren Temperaturen kennengelernt. Knapp zehn Jahre zuvor verbrachte er im Rahmen der "Kinderlandverschickung" einige Wochen auf einem Bauernhof in Lötsch. "Beim Häuten der Zwiebel", wie er seine Lebenserinnerungen nannte, hatte Grass nur noch den Ortsnamen "Breyel" im Gedächtnis, "drei Kirchtürme weiter lag Holland..." Bei einer Rückfrage im Jahr 2006 hat er dann noch "Lötsch" hinzugefügt, wusste aber nicht mehr den Namen des Hofes.

Lange bevor Grass' Erinnerungen erschienen waren, hatte Max Zanders (Lobberich), einst Direktor des Kreis-Abendgymnasiums, von Grass in Lötsch berichtet. Der frühere Sonderschulrektor Hans-Gert Kall (Breyell) hörte von Rentnern gehört, der Junge aus Danzig sei beim Bauern Peters gewesen. Zu Lorenz Peters, der Anfang der 1920er-Jahre den "Spielmannshof" an der Ecke Lötsch/Provinzialstraße kaufte, passt die Grass'sche Schilderung, dass der Hof Milchvieh hielt, Schweine mästete und Spargel anbaute. Er lernte, "Spargel aus sorgfältig geglätteten Hochbeeten zu stechen und dabei so wenig wie möglich Bruch zu machen".

Zwar hatten die Landwirte Bein und Terhorst auch Spargelfelder, aber keinen Sohn Matthias, von dem Grass spricht. Matthias Peters war etwas jünger, wurde aber sein Spielkamerad, vor allem beim Fliegenfangen in der Küche. Auch das wusste Grass noch genau: "Von der Bäuerin angetrieben, mussten Matthias und ich jeden Sonnabend zur Beichte. Damals glaubte ich an die Hölle und wusste Sünden genug." Matthias Peters kann zu alledem nichts sagen. Er starb 1976 in Viersen, wo er den Genengerhof an der Ummerstraße bewirtschaftete. Auch ehemalige Mitschüler erinnerten sich nicht. In der Lötscher Schulchronik findet sich der Vermerk, dass im Schuljahr 1937/38 fünf Kinder im Rahmen der NSV-Kinderlandverschickung mehrere Wochen die Schule besuchten.

Günter Grass hätte zu Lebzeiten vielleicht noch zur Aufklärung beitragen können, doch Einladungen von Stadtbibliothekar Ulrich Schmitter zu einer Lesung in Nettetal schlug er aus.

(RP)
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