Nettetal Haus des Wirtschaftswunders

Nettetal · Die Villa der Fabrikantenfamilie Rötzel in Breyell steht zum Verkauf. Errichtet wurde das Haus 1952. Seither hat sich im Inneren kaum etwas verändert. Gertrud Rötzel (89) zog vor einem halben Jahr zu Sohn Heinz nach Bayern.

Es ist still an der Christian-Rötzel-Allee in Breyell. Hin und wieder fährt ein Auto vorbei. Leise schaukelt am Zaun eines großen Hauses ein Schild im Wind. Es steht zum Verkauf. Das war einst die Villa des Stahlunternehmers Christian Rötzel. Nach ihm ist die Straße hier benannt.

Das Haus mit der Nummer 18 war 1952 das erste, das hier errichtet wurde. Christian Rötzel musste nur die Bahngleise überqueren, dann hatte er den Betrieb links und rechts der Josefstraße erreicht. Die Villa nach den Entwürfen des Architekten Palm, der sein stattliches Haus später nebenan errichtete, wirkt sachlich-schlicht und ist in ihrer Größe bis heute ein markanter Bau. Die "Villa Rötzel", von der einige Breyeller Generationen stets ehrerbietig sprachen, ist ein seltenes Zeugnis von selbstbewusster Industriellenkultur zu Beginn des Wirtschaftswunders in Nettetal. Ein Glücksfall ist, dass Christian Rötzels Witwe Gertrud – sie wird bald 90 Jahre alt – mit ihrer 83-jährigen Haushälterin bis vor gut einem Halben Jahr noch in dem über 900 Quadratmeter großen Haus lebte. Seit ihrem Einzug 1952 hat sie kaum etwas verändert.

Christian Rötzel ließ die zweigeschossige Villa auf einem etwa 4000 Quadratmeter großen Grundstück ziemlich weit vorne an der Straße errichten. Durch den Vorgarten mit der giebelständigen Garage betritt der Besucher das Haus durch eine doppelflügelige Holztür. Im Erdgeschoss lebte und repräsentierte die Fabrikantenfamilie. Links öffnet sich für Gäste eine großzügige Garderobe. Rechts führt eine Tür in die Küche, die ein Kleinod birgt. Gertrud Rötzel ließ 1952 eine Einbauküche aufbauen. Die bemerkenswert gut erhaltenen Einbaumöbel aus den frühen 1950er-Jahren zeugen von einem ausgeprägten Sinn für Modernität und praktischem Denken. An einer Wand hängt ein Stoffkalender. "Gruß aus Oberstdorf – 2006" steht darauf. Den Gruß schickte wohl der jüngere Sohn Heinz, bei dessen Familie Gertrud Rötzel inzwischen lebt.

Hinter einer Tür an der Rückwand verbergen sich Speisekammer und Kellerabgang. Eine weitere Tür führt in ein geräumiges Zimmer, das ausschließlich als Frühstückszimmer der Familie diente. Zurück in den Flur, der sich zur Rückseite des Hauses in einen Salon oder auch Kaminzimmer öffnet. Das Ehepaar Rötzel hat hier keine Abgrenzungen vorgenommen. Die rückwärtigen Privaträume und Terrassen gehen ineinander über. Eins mit der Natur sein kann der Hausbewohner, weil ein gewaltiges Terrassenfenster versenkt werden kann. Ein Druck auf den Schalter, und ein fast geräuschloser Motor im Keller setzt den unsichtbaren Kettenantrieb in Bewegung. Das Fenster verschwindet wie von Zauberhand. KOMMENTAR

(RP)
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