Angelika Eller-Hofmann Inklusion nur mit mehr Personal möglich

Viersen · Angelika Eller-Hofmann, scheidende Leiterin der Gesamtschule Nettetal, spricht über Herausforderungen für die Zukunft der Schule, über die Probleme bei der Inklusion und über ihre Liebe zum Lehrerberuf.

 Angelika Eller-Hofmann, seit drei Jahren der Gesamtschule Nettetal, wechselt in die Bezirksregierung. RP-Foto: F.H. Busch

Angelika Eller-Hofmann, seit drei Jahren der Gesamtschule Nettetal, wechselt in die Bezirksregierung. RP-Foto: F.H. Busch

Foto: Leiterin

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Angelika Eller-Hofmann Eigentlich mag ich alles, vor allem den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen. Es ist eine hohe Verantwortung, die Kinder in einer wichtigen Entwicklungsphase zu begleiten. Als Schulleiterin unterrichte ich weniger. Aber der Spielraum, um Schule zu gestalten, ist dafür deutlich größer. Als Schulleiterin geht es mehr um die ganze Schule, man betrachtet auch die Schule in der Region. Dazu gehören Aufgaben wie Personalführung oder Öffentlichkeitsarbeit. Es ist zwar schade, weniger selbst machen zu können, aber man kann Kollegen mit guten Idee unterstützen - und so Schule weiter entwickeln. Überhaupt ist Kommunikation das Wichtigste: sowohl nach innen, als auch nach außen.

... und was mögen Sie nicht?

Eller-Hofmann Es ist schon sehr viel Papierkram. Als Schulleiterin muss ich immer wieder formale Anfragen beantworten, muss etwa Berichte verfassen zu Konferenzen und Anmeldeverfahren. Ich sehe zwar die Notwendigkeit, aber es gibt Dinge, die mich mehr begeistern. Für unmittelbar relevante Dinge fehlt dann manchmal die Zeit.

Sie haben am 29. September Ihren letzten Arbeitstag an der Gesamtschule, wechseln zur Bezirksregierung. Was ist dort Ihre Aufgabe?

Eller-Hofmann Ich werde ins Dezernat 44 wechseln, werde die Dienst- und Fachaufsicht für Gesamt- und Sekundarschulen übernehmen. Das heißt, ich begleite und unterstützte diese Schulen, berate Schulleiter oder arbeite in organisatorischen Fragen wie Schulschließungen und -fusionen mit dem Schulträger zusammen. Dabei geht es mehr um die Entwicklung der regionalen Schullandschaft und darum, Schulen generell zukunftsfähig zu machen.

Wo sehen Sie künftig Herausforderungen für die Gesamtschule Nettetal?

Eller-Hofmann Generell ist die Frage, ob die Diskussion um die Schullandschaft nun abgeschlossen ist. In Nettetal müsste die Kooperation der Gesamtschule mit der Realschule und dem Werner-Jaeger-Gymnasium verstärkt und intensiv weiterverfolgt werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Inklusion. Dabei wird es spannend, wie es unter der neuen Landesregierung weitergeht.

Wie sieht Inklusion an der Gesamtschule zurzeit aus?

eller-Hofmann Wir haben über alle Jahrgänge verteilt Kinder mit Handicap, mindestens acht pro Jahrgang, insgesamt 55 Schüler, einige in der gymnasialen Oberstufe.

Funktioniert Inklusion?

eller-Hofmann Die Versorgung mit Sonderpädagogen reicht nicht aus. Wir haben an der Gesamtschule bereits im Jahr 2000 mit integrativen Lerngruppen begonnen und damit sehr gute Erfahrungen gesammelt. Aber inzwischen haben sich die Bedingungen verändert, so dass es eine sehr große Herausforderung geworden ist. Wir können längst nicht mehr jedem Kind so gerecht werden wie notwendig. Wir bräuchten viel mehr Personal.

Regelmäßig muss Ihre Schule Fünftklässler abweisen. Wäre eine Erweiterung da nicht eine Option?

eller-Hofmann Grundsätzlich wäre eine Erweiterung schön, aber nur durch einen Anbau vor Ort. Das Problem: Uns wurde nur die Möglichkeit angeboten, eine Dependance in Kaldenkirchen zu führen. Damit wäre die Gesamtschule aber keine einheitliche Schule mehr. Die Identifikation mit der Schule würde fehlen, es gäbe für Kinder und Kollegen kein Zuhause und keine Zugehörigkeit mehr. Ohne Qualitätsverluste wäre ein Dependancebetrieb nicht möglich. Deshalb ist man mit einem kleineren System an einem Ort besser beraten.

G8 an den Gymnasien hat die Gesamtschulen für viele Eltern attraktiver gemacht. Wird eine Rückkehr der Gymnasien zu G9 die Gesamtschulen schwächen?

Eller-Hofmann Das mag in einzelnen Gegenden zutreffen, in denen Eltern ihre Kinder nur wegen der neunjährigen Schulzeit bis zum Abitur an einer Gesamtschule anmelden. In Nettetal sehe ich dieses Problem nicht. Dort können wir nicht nur mit dem Abitur nach neun Jahren, sondern mit der Qualität der Schule punkten. Unabhängig von der ideologischen Diskussion soll man verantwortlich entscheiden, was für ein Kind der richtige Weg ist.

Wie sieht Ihre Nachfolgeregelung aus?

Eller-Hofmann Meine Stelle als Schulleiterin wird erst nach einem halben Jahr ausgeschrieben. So lange übernimmt meine Stellvertretung Irene Sieker die Aufgabe kommissarisch. Wir haben jetzt bereits sehr eng zusammengearbeitet - es wird keinen Bruch geben. Dennoch fällt mir trotz aller Vorfreude auf meine neue Aufgabe der Weggang aus Nettetal sehr schwer. Ich habe hier unglaublich gerne gearbeitet und die Gesamtschule Nettetal ist etwas ganz Besonderes! Ich werde ihr weiterhin eng verbunden bleiben.

DANIELA BUSCHKAMP FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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