Nettetal Kaldenkirchen bejubelt erste Königin

Nettetal · Schützen begrüßen die Veränderung und kommentieren den Systemwechsel so: "Künftig wird ein Mann nicht mehr sagen: Ich schieße den Vogel und spiele König. Er wird fragen: Wer von uns beiden schießt den Vogel - du oder ich?"

Mit großer Begeisterung quittierten die Mitglieder der St.-Lambertus-und-Junggesellenbruderschaft ein "epochales Ereignis in Kaldenkirchen": Im Pfarrgarten hatte Carola Verkoyen um 18.05 Uhr am vergangenen Samstag ihren 199. Schuss abgegeben und damit den letzten Rest des Vogels von der Stange geholt. Sie ist die erste Schützenkönigin in Kaldenkirchen.

Brudermeister Markus Thelen war keineswegs überrascht: "Bereits vor mehr als einem Jahr äußerte Carola Verkoyen den Wunsch, Schützenkönigin zu werden. Ich fand diesen Wunsch gut und finde ihn immer noch gut. Auch der Vorstand steht hinter diesem Vorhaben." Thelen sprach damit offenkundig für die gesamte Bruderschaft, denn es gab kein kritisches Wort im Vorfeld oder auch nach der Entscheidung - zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

So stellte Bezirksbundesmeister Hans Puschmann fest: "Vieles in unserem Schützenalltag ist geprägt von Brauchtum, Tradition und Ritualen. Dabei verschließen wir uns den gesellschaftlichen Veränderungen und das nicht erst, seit Frau Merkel Bundeskanzlerin und Frau von der Leyen Verteidigungministerin ist. Dass solche Veränderungen auch von unseren Bruderschaften nicht halt machen, ja halt machen dürfen, spiegelt sich in mancher Hinsicht wider. Waren Bruderschaften früher eine Männerdomäne, so haben sich heute viele geöffnet. Nicht selten sind ganze Familien Mitglieder einer Bruderschaft. Das bedeutet, dass alle Mitglieder gleiche Rechte haben." Puschmann räumte ein, dass dies nicht ohne Diskussionen abläuft und gerade ältere Schützen sich damit schwertun, Änderungen dieser Art zu akzeptieren. "Ich sehe die Zukunft unserer Bruderschaften eher als Schützenfamilien", sagte Puschmann. Carola Verkoyen habe "mit der Königswürde und der damit verbundenen Bürde ein stückweit die Tür weiter geöffnet hat, das Wort Schützenfamilie mit Leben zu erfüllen".

419 Jahre benötigte die Kaldenkirchener Bruderschaft von 1597/1791, ehe sie eine neue Seite in ihren Annalen aufschlug und, wie es Chronist Gregor Herter formulierte, "einige dicke Ausrufezeichen" setzte. In den Festschriften von 1991 und 1997 sind über viele Seiten die Namen bisheriger Könige und Minister verzeichnet - eine Frau fehlt. Die Tradition, nach der Schützenvereine reine Männersache sind, hat sich nun auch in Kaldenkirchen endgültig erledigt. Carola Verkoyen ist ohnehin in den Schießgruppen sehr aktiv. Sie schießt selbst und ist zweite Jungschützenmeisterin.

"Eine Königin in der Bruderschaft, das kommt genau richtig. Wir werden sie mit allen Kräften unterstützen", meinte ein junger Schütze. Eine anderer fand es "toll, dass wir eine Schützenkönigin haben und daneben einen Prinzgemahl". Auch bei Älteren kam die Entscheidung positiv an: "Ich freue mich sehr, dass wir eine Schützenkönigin haben. Carola hat gezeigt, dass Frauen in der Schützenbruderschaft nicht nur für die Kaffeetafel und das Röschendrehen zuständig sind. So gesehen haben sich die Frauen in unserer Bruderschaft jetzt endgültig emanzipiert." Die Ansicht ergänzte ein Schütze so: "Künftig wird ein Schütze seiner Ehefrau oder Freundin nicht mehr sagen können: Ich schieße den Vogel und spiele König. Er wird fragen: Wer von uns beiden schießt den Vogel - du oder ich?"

(sa)
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