Nettetal Kirmes ist ein anstrengendes Geschäft

Nettetal · Schausteller sehen sich immer neuen Herausforderungen durch die Behörden und durch ihre Kunden ausgesetzt.

 Schausteller und Betreiber von Fahrgeschäften haben es zunehmend schwer. Die Vorschriften werden umfassender und die Umsätze gehen in vielen Bereichen kontinuierlich zurück.

Schausteller und Betreiber von Fahrgeschäften haben es zunehmend schwer. Die Vorschriften werden umfassender und die Umsätze gehen in vielen Bereichen kontinuierlich zurück.

Foto: Busch

Die Frühkirmes in Kaldenkirchen ist unter Schaustellern und Betreibern von Fahrgeschäften besonders beliebt. Sie ist die erste Kirmes in der Umgebung und stets ein Test für die Saison. Heimvorteil hat der aus Kaldenkirchen stammende Hans "Hansi" Germann. Er baut seit mehr als 50 Jahren sein "Gewinncenter" auf Kirmesmärkten auf.

"In meiner Losbude gilt eine Gewinngarantie, ich habe keine Nieten", verspricht er. Auch seine Warenausgabe sei immer auf dem neuesten Stand. "Mit alten Sachen reißt man nichts mehr", gibt er zu. Das Geschäft sei allerdings in den letzen Jahren zurückgegangen. "Es ist ja überhaupt nicht mehr viel Geld im Umlauf", meint er. Um die Gewinne zu kaufen, die er anbietet, muss er heutzutage weit fahren. "Es gibt sie nicht mehr um die Ecke. Und per Internet kann ich nicht handeln, das wäre auch bei Beanstandungen, wie Fehlerware, schwierig", erzählt der 77-Jährige. Er betreibt immer noch mit viel Herzblut seine Losbude.

Ein Pärchen nähert sich, der verliebte junge Mann kauft seiner Liebsten fünf Lose. Da es keine Nieten gibt, kann die Angebetete zwischen einem kleinen gelben Stoff-Vogel und einer Plastik-Blume wählen. "Ich bin Gladbach Fan, da kann ich mit dem gelben Vögelchen nichts anfangen", sagt sie lachend. Sie zieht mit der kleinen Plastik-Blume weiter.

Am Pfeilwurf-Stand von Harald Burker aus Viersen stehen nicht nur Kinder und Jugendliche an. "Es kommen gerade in den frühen Abendstunden Erwachsene hinzu. Sie und Jugendliche liefern sich einen Wettkampf", berichtet Burker. Für besorgte Eltern und für diejenigen, die sich über den Preis des Pfeilwerfens aufregen könnten, hat er gut sichtbar die anfallenden Kosten erläutert: Neben Platzmiete, Bauabnahme, Müllentsorgung, einer nicht weiter definierten Sonderprüfung und Bearbeitungskosten, Kosten für die Straßensondernutzung, sind auch die waffentechnische Abnahme und TÜV-Kosten erläutert. Im vergangenen Jahr hat Burker die Beleuchtung auf LED-Birnen umgestellt. "Obwohl ich jetzt Stromkosten spare, ist die Platzmiete in die Höhe geschossen", klagt er. Über den Gewinn am Ende der vier Tage will er nicht weiter reden, "hier stehen drei Dart- und Pfeilwurf-Buden. Da muss man sich den Verdienst eben teilen", sagt er.

Noch nicht so viel los ist während des Rundgangs beim Kinderflieger "Airport". "Wir haben ja gerade erst ein paar Stunden geöffnet", sagt der Betreiber. Er baut auf den Sonntagnachmittag baut, wenn Eltern mit ihren Kindern einen Ausflug zur Kirmes machen. Andreas Hoster sitzt im Music-Express an der Kasse. Er gibt die Chips wie in Trance aus. "Ich saß eher in einem Fahrgeschäft als im Kinderwagen", sagt der Mönchengladbacher. Anders als bei der legendären Raupe geht hier das Verdeck nicht herunter. "Die Jugendlichen küssen und fummeln heute auch ohne Verdeck", sagt er und grinst. Schon sein Uropa habe vor 100 Jahren Fahrgeschäfte auf Kirmesmärkten betrieben. "Seitdem hat sich vieles verändert. Gerade in den letzten Jahren", sagt er.

Früher habe es eine Verordnung innerhalb von fünf Jahren gegeben. Heute seien fünf neue Verordnungen in einem Jahr normal. Über den Sinn mancher Vorschrift mag er nicht mehr nachdenken. Die Kassenrückwand musste von einem Jahr aufs andere verstärkt werden. "40 Jahre lang ist nichts passiert, die Verstärkung hat mich viel Geld gekostet", schimpft er. Zum Mindestlohn will er nicht mitreden. "Den haben meine Helfer schon vor Jahren bekommen, da war der Betrag noch gar nicht festgeschrieben", sagt er. Die Fahrchips gehen weiter über die Kassen-Theke, das Geschäft läuft.

(ivb)
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