Nettetal Kurzweiliger Austausch in der Alten Kirche mit Gregor Gysi

Nettetal · Der Ex-Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi, der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer und Moderator Klaus Nellessen boten beim Diskussionsabend "Wäre Jesus heute bei der Linken?" einen kurzweiligen Gedankenaustausch über Kirche, Kapitalismus und gesellschaftliche Herausforderungen.

 Sprach in der Kirche in Lobberich unter den Augen der Muttergottes: Gregor Gysi.

Sprach in der Kirche in Lobberich unter den Augen der Muttergottes: Gregor Gysi.

Foto: Siemes

Gysi eilt der Ruf voraus, einer der redegewandtesten Politiker im Bundestag zu sein. Und so waren viele Menschen erschienen, um das ein oder andere Bonmot abzuschöpfen: 200 Besucher, ausverkauftes Haus in der Alten Kirche. Gysi enttäuschte nicht. Gleich zu Beginn parierte er das Lob des Moderators dafür, dass er es "so weit in den Westen" geschafft habe, mit dem Hinweis "dass ich seit 1990 Bürger der Bundesrepublik Deutschland bin".

Sein ihm ebenbürtiger Gegenpart: Generalvikar Pfeffer. Der Umgang der vermeintlichen Kontrahenten miteinander bot die vielleicht überraschendsten Erkenntnisse des Abends: Der hochrangige Geistliche war kein Kommunistenfresser, der derzeitige Präsident der Europäischen Linken zeigte im Gegenzug verblüffend große Sympathien für die katholische Kirche.

Selbst dem versierten Radiomann Nellessen gelang es nicht, das Miteinander zu einem Zwist zuzuspitzen. Und so gab es allerlei Anekdotisches. Wie die DDR einmal mit dem Geld des libyschen Herrschers Gaddafi keine Moschee baute, was Helmut Kohl einst zum Umgang mit Kritikern riet oder welche Passagen aus der Rede anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Orden "wider den tierischen Ernst" nicht vom Fernsehen gezeigt wurden - von derlei Begebenheiten wusste Gysi mit feinem Humor zu berichten.

Überraschend das Ausmaß der Selbstkritik, mit dem Pfeffer den Zustand der katholischen Kirche skizzierte, Parallelen zum einstigen Überwachungsstaat DDR zog. Auch in der katholischen Kirche gebe es eine "Angst vor dem freien Wort". Papst Franziskus beschrieb der Geistliche als Protagonisten eines überfälligen Systemwechsels. "Die Leute laufen uns in Scharen davon. Wir müssen auf die Veränderungen in der Gesellschaft eingehen", so Pfeffer unter Beifall des Publikums.

Großes Potenzial zur Bewältigung eben jener gesellschaftlicher Herausforderungen attestierte Gysi den Kirchen, "weil sie allein zurzeit in der Lage sind, allgemeinverbindlich Moralnormen zu kreieren. Weder der Kapitalismus noch die Linke können solche moralischen Werte vermitteln." In Donald Trump und dem Erstarken der europäischen Rechten sieht Gysi Zeichen einer Gegenreformation und ist sich sicher: "Die katholische Kirche macht so was nicht mit."

(dmai)
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