Nettetal Meist kaum beachtet: Morellets Lichterbaum

Nettetal · Vor knapp 40 Jahren wurde die Innenstadt Kaldenkirchens komplett neu gestaltet. In das Zentrum der neu geschaffenen Fußgängerzone stellten die Nettetaler Stadtväter damals die Metallskulptur des bedeutenden französischen Künstlers Francois Morellet.

 Francois Morellet schuf die Skulptur für die Kaldenkirchener Fußgängerzone.

Francois Morellet schuf die Skulptur für die Kaldenkirchener Fußgängerzone.

Foto: Busch

Vor knapp 40 Jahren erhielt die Innenstadt Kaldenkirchens ein neues Gesicht. Als Ergebnis der auch radikal anmutenden Stadtsanierung wurden die Kehrstraße und die Klostergasse in eine Fußgängerzone umgewandelt. Gestaltungselemente wurden aufgemauerte Klinkergebilde - Wülste, Halbkugeln und Kugeln. An der Schnittstelle von Jahn-/Poensgenstraße mit der Kehrstraße steht seither der "Lichterbaum" des französischen Künstlers Francois Morellet.

 Der Lichterbaum Morellets mit St. Clemens im Hintergrund.

Der Lichterbaum Morellets mit St. Clemens im Hintergrund.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Sein Kunstmonument der Moderne gehört seitdem zum festen Bestandteil der Innenstadt. Es steht ungerührt und unberührt bis heute im Zentrum der Fußgängerzone. Viele Bürger haben sich nicht nur daran gewöhnt, sie sehen die Skulptur vermutlich gar nicht mehr bewusst. Dass der "Lichterbaum" überhaupt noch dasteht, hat wenig mit besonderer Achtung vor dem Werk eines herausragenden Künstlers zu tun. Einige würden "das Ding" auch lieber heute als morgen abräumen, ohne zu wissen, was sie anrichten. Aber das war ja auch beim Umgang mit einigen der unverwechselbaren Elemente so, mit denen weniger zimperlich umgegangen wurde. Hemdsärmelig wurde seinerzeit ein Element abgeräumt, ohne den erhofften merkantilen Gewinn zu bringen.

Morellet hat großartige Kunstwerke geschaffen, die überall in der Welt stehen. Der Energiekonzern Eon zeigt erst seit wenigen Wochen in der Zentrale in Essen seine umfangreiche eigene Kunstsammlung. In Besprechungen wurde mehrfach eine Morellet-Arbeit besonders genannt. Eine Skulptur steht nicht weit von Nettetal entfernt: Vor etwa zwölf Jahren kam Morellets kugelige Schöpfung "Sphere - trams" im Zuge der Euroga 2002plus in den Skulpturengarten des Museums Abteiberg in Mönchengladbach. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert eröffnete im Januar 2013 in Berlin die Doppelausstellung "François Morellet figuratif - Gunda Förster konkret" und "François Morellet - Wandelbare Wand" im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Lammert äußerte sich damals sehr beeindruckt von den Arbeiten des Franzosen.

Der inzwischen 88-jährige Künstler verfasste vor zehn Jahren "Ein Buch, in dem es nichts zu sehen gibt, über Kunstwerke, die nichts sagen wollen". Darin schreibt er in der "Lobrede auf Sackgassen": "Seit mehr als einem halben Jahrhundert habe ich großes Interesse daran gefunden, radikal nicht figurative Bilder zu schaffen." Morellet begeistert sich an geometrischen Figuren und Aufgabenstellungen. "Ich hatte seit langem davon geträumt, ein ideales System zu finden, das sich mit meinen gewohnten Werkzeugen Lineal und Winkelmesser leicht umsetzen ließe...Trotz zahlreicher Versuche, die ich immer wieder anstellte, gelang mir dies bis 1988 nicht." Morellet legte seine "Aversion der gebrochenen Linie gegenüber" ab. Hilfreich waren "einwandfrei arbeitender Computer" und Dezimalstellen der Kreiszahl pi. Der Künstler konnte "endlich meinen Traum von der unendlichen Linie mit unvorhersehbarem Verlauf" verwirklichen.

Die Verbindung Morellets mit Kaldenkirchen schuf Professor Heinz Döhmen, der den Plan für die Innenstadt entworfen hatte. Dies bestätigt Hans-Günter Karrenberg, bis 1969 Stadtdirektor von Kaldenkirchen und anschließend Beigeordneter in der neu gebildeten Stadt Nettetal. Karrenberg erinnert sich auch noch jener "Strömungen", die nur widerwillig oder gar nicht den Zielen der Sanierung und Gestaltung der Innenstadt zustimmten. Landrat a.D. Hanns Backes ist froh über das Kunstwerk Morellets: "Ich finde es schön." Leo Frenken saß damals für die CDU im Rat und war unter anderen in der Planungsgruppe tätig: "Damals war von einem Lichterbaum die Rede, der er aber eigentlich nie richtig war. Die Skulptur ist durchaus zu akzeptieren, sie ist schön und soll bleiben." Sein früherer Ratskollege Heinz Peeters sieht es nicht anders: "Das Kunstwerk soll stehen bleiben. Wenn es abgerissen werden soll, müsste es triftige Gründe geben."

(RP)
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