Nettetal Raffiniert: Wertstoffe aus Pappeln holen

Nettetal · Die Phytowelt GmbH des Lobberichers Dr. Peter Welters will sich im Gewerbepark Venete ansiedeln. Mit Förderung auch durch die EU plant er eine Bioraffinerie-Anlage, die auf natürliche Prozesse setzt.

Die Pappel ist in jüngerer Vergangenheit regional eher als Streitobjekt aufgefallen. Der Baum ist, gerne in Reih' und Glied gepflanzt, fester Bestandteil der niederrheinischen Landschaft. Verteidigern des Baumes, dem in einigen Flussniederungen die Abholzung droht, geht es vor allem um die emotionale Bindung. Ihr ökologischer oder ökonomischer Wert wird bisher weniger gering geschätzt. Das könnte sich bald ändern. Der Nettetaler Dr. Peter Welters will sich mit seinem Unternehmen Phytowelt im Gewerbepark Venete ansiedeln.

Ausgerechnet dort steht weit und breit keine Pappel. Hier ist heroisch und mit Erfolg um eine einzelne Eiche gekämpft worden, die Väter des Gebiets haben durchgesetzt, dass die Straßen von Laubbäumen gesäumt werden. Nur die Anlage eines künstlichen Wäldchens - man spricht demnächst euphemistisch bestimmt mal vom "Venete-Hain" - will angesichts erheblicher Bodenprobleme nicht gelingen.

Und nun will die Phytowelt erstaunlicherweise hier die Pappel als Wirtschafts- und Veredlungsgut etablieren. Geschäftsführer Welters arbeitet seit mehreren Jahren bereits an dem Projekt. In Venete ließe es sich umsetzen, sagt er. Nimmt die Phytowelt alle Genehmigungs- und Förderhürden, könnte sie im kommenden Jahr eine Bioraffinerie errichten. Skeptiker werden gleich aufhorchen. Raffinerie? Bekommt Kaldenkirchen etwa ein zweites Wesseling, wo sich am Rheinufer chemische Raffinerieanlagen aufreihen? Ganz und gar nicht - eher das Gegenteil.

Welters forscht mit seinem Unternehmen an Alternativen zur klassischen Chemie, ohne Pflanzen gentechnisch zu verändern. Denn die Natur liefert Rohstoffe, die fossile Energien wie Erdöl oder Gas ersetzen. Auf der Basis von Pappelplantagen, die eine besonders kurze Umtriebszeit haben, also schnell wachsen, fußt das Konzept der geplanten Bio-Raffinerie des Unternehmens Phytowelt. Das Stammholz wird energetisch genutzt, die Rinde und Äste werden als "Abfallprodukte" aufgearbeitet. "Man kann aus ihnen vielseitig verwendbare Wertstoffe herauslösen", erklärt Welters. Gelingt es, bestimmte hochwertige Verbindungen aus der Biomasse zu isolieren, können sie aufwendige und künstliche Herstellungsprozesse ersetzen oder auch Verbindungen schaffen. Ergebnisse dieser Arbeit ließen sich umsetzen für medizinische Zwecke (Grundstoffe für die Pharma-Industrie), in der Ledergerbung (anstelle des Schwermetalls Chrom) oder auch zur industriellen Produktion von Klebstoffen.

Das Unternehmen hat daher auf natürlichem Wege Pappeln gezüchtet. Sie produzieren ein Viertel mehr Biomasse als ihre Elterngeneration. Die Pappelplantage muss nicht im unmittelbaren Umfeld der Bioraffinerie angelegt werden. "Die Bäume können auf kontaminierten Böden ebenso gepflanzt werden wie an Straßen oder Deponien", sagt Welters. Die Pappeln ziehen den Stickstoff aus dem Boden - ideal auch zum Wachstum in Wasserschutzgebieten. Das Kernelement ist die Fermentation, die sich augenblicklich in einer Pilotphase befindet. Partner ist das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) in Oberhausen.

Fördermittel verspricht sich Phytowelt aus dem noch recht neuen EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020". Es führt alle forschungs- und innovationsrelevanten Förderprogramme der Europäischen Kommission zusammen (www.horizont2020.de). Welters ist sicher, dass er mit der Biotechnologie zukunftsträchtige Ziele verfolgt, die in das Agrobusiness-Konzept für Venete passen. An der Umstellung der klassischen Produktionsprozesse führe kein Weg vorbei, meint er.

(RP)
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