Nettetal Schönfelder schreibt Brandbrief an Hannelore Kraft

Nettetal · Nettetals Sozialdezernent fordert angesichts der Zuweisungen von Asylbewerbern einen "Paradigmenwechsel".

 Armin Schönfelder ist Erster Beigeordneter in Nettetal.

Armin Schönfelder ist Erster Beigeordneter in Nettetal.

Foto: Busch

Armin Schönfelder, Nettetals Erster Beigeordneter, fordert in einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einen "Paradigmenwechsel" in der Flüchtlingspolitik. Unzureichende finanzielle Ausstattung der Kommunen durch Bund und Land sowie fehlende Erstaufnahmeeinrichtungen eine Belastung, die eine Stadt wie Nettetal mittelfristig nicht mehr bewältigen könne, ohne dass Schulen und Vereine darunter leiden müssten. "Unverzüglich" müssten das Kosovo, Albanien und Montenegro "endlich zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden".

Seit dem letzten Flüchtlingsgipfel im Frühjahr habe sich die Situation bei der Unterbringung und Betreuung von Asylbegehrenden "dramatisch zugespitzt", schreibt Schönfelder. Nettetal müsse inzwischen sieben bis 25 Zuweisungen pro Woche verkraften. Prognosen ließen den Schluss zu, dass der Zustrom von Flüchtlingen zunehmen werde.

Da dem Land eigene Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen fehlten, seien Städte und Gemeinden per Verfügung aufgefordert worden, zum Teil innerhalb weniger Stunden Platz für mehrere Hundert Flüchtlinge zu schaffen. "Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kommunen die fehlenden Unterbringungsplätze in Landeseinrichtungen kompensieren sollen", klagt der Sozialdezernent. Wenn Kommunen gezwungen seien, relativ kurzfristig eine größere Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen, könnten sie "auch in Nettetal zukünftig nur noch in Provisorien untergebracht werden".

Schönfelder weist darauf hin, dass es der Stadt bisher gelang, Wohnungen und leerstehenden Gewerbeimmobilien zu mieten sowie neue Gemeinschaftsunterkünfte zu errichten. Die Dauer einschließlich des Genehmigungsverfahrens betrage jedoch mindestens neun Monate, die Kosten betrügen rund 700 000 Euro je Gebäude. Auch mit der Reaktivierung ehemaliger Einfachunterkünfte und Schulgebäude gelinge es noch, zugewiesene Personen menschenwürdig unterzubringen. "Nunmehr stößt jedoch auch unsere Stadt an ihre Grenzen."

Schönfelder unterstreicht auf, dass Asylbewerber "mit eigenem Personal und erfreulicherweise zusätzlich mit hohem ehrenamtlichen Engagement aus der Bürgerschaft" betreut werden. "Die verbreitete noch vorhandene Willkommenskultur im Lande, an deren Aufrechterhaltung wir gemeinsam mit allen Beteiligten arbeiten, ist jedoch spätestens dann in Gefahr, wenn mittelfristig in möglicherweise zu belegenden Turnhallen oder Klassenräumen kein Unterricht mehr angeboten werden oder der gewohnte Vereinssport nicht mehr ausgeübt werden kann", warnt Schönfelder.

Finanziell steige die Belastung des ohnehin defizitären Haushalts, weil Bund und Land die Kosten nicht ausgleichen. Es sei vordringliche Aufgabe von Bund und Ländern sein, die notwendige Anzahl an großflächigen Aufnahmeeinrichtungen für Wirtschaftsflüchtlinge zu errichten. Die begrenzten Ressourcen müssten unbedingt "für wirklich schutzbedürftige Flüchtlinge" eingesetzt werden. Das setzt einen Paradigmenwechsel voraus. "Wer diesen Paradigmenwechsel kritisiert und die Realität nicht wahrhaben will, gefährdet die Akzeptanz der Bevölkerung für das Asylrecht und die noch vorhandene Bereitschaft, die Flüchtlinge herzlich willkommen zu heißen. Er verweigert zudem den schutzbedürftigen Asylbewerbern die Ressourcen, die sie wirklich nötig haben.

Für Zuwanderer aus den Ländern in Südosteuropa sollten beschleunigte Asylverfahren in zentralen Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. "Ich darf Sie daher dringend bitten, diese Forderung zu unterstützen und entsprechende Bundesratsinitiativen auf den Weg zu bringen", schließt Schönfelder.

(RP)
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