Nettetal Schummer: "Wir Niederrheiner sind große Europäer"

Nettetal · Negative Folgen fürs deutsch-niederländische Verhältnis durch die Pkw-Maut befürchten Politiker aus beiden Ländern.

Ein Schreckgespenst geht um: die Maut. Die in Berlin geplante Straßenbenutzungsgebühr lässt die Innenstädte im Grenzland veröden, längst vergessene Ressentiments zwischen Deutschen und Niederländern wieder aufleben. Solche Befürchtungen äußerten Politiker sowie eingeladene Experten bei der Mitgliederversammlung der Nettetaler CDU in der Kaldenkirchener Gaststätte "Zur Mühle".

Komme die Maut, so sei das ein Schritt zurück in die Vergangenheit, warnte Jos Teeuwen, bei der Stadt Venlo für Stadtentwicklung und Kontakte zu Deutschland zuständig. Gerade erst sei vieles zusammengewachsen, was durch eine Maut gefährdet werde - seien doch die Menschen in der Provinz Limburg eng verbunden mit den Nachbarn in Deutschland: "Wir arbeiten beiderseits der Grenze, heiraten über die Grenze hinweg, gehen im jeweiligen Nachbarland zur Schule."

Keineswegs als Schwarzmalerei verstand Claudia Willers die Ausführungen Teeuwens: "40 Prozent unserer Kunden im Einzelhandel, Tankstellen nicht mitgerechnet, sind Niederländer", verwies die Vorsitzende des Werberings Kaldenkirchen Aktiv auf eine Marktanalyse. Jahrelang habe man in Nettetal und Umgebung daran gearbeitet, die Innenstädte attraktiv zu machen: "Das wäre ein Schritt zurück, wenn Niederländer ausblieben, weil sie für die Benutzung unserer Straßen 100 Euro im Jahr bezahlen müssten." Niederländische Kunden hätten bereits signalisiert, bei einer Maut nicht mehr zu kommen: "Das darf nicht sein, es ist doch ein Geben und Nehmen. Sie kaufen bei uns, wir studieren bei ihnen", so Willers. Sie sehe die Gefahr, dass Unmut und neue Antipathien aufkämen.

Auf grenzüberschreitende gewachsene Strukturen in Handel und Gewerbe verwies auch Bernd Neffgen von der Industrie- und Handelskammer Krefeld (IHK). Erwartete Einnahmen durch die Maut von rund 600 Millionen Euro jährlich reichten bei Weitem nicht, die notwendige Infrastruktur der Straßen zu verbessern; von daher sei die geplante Maut schon unsinnig, meinte der IHK-Experte für Europäische Raumordnung und Verkehrsstraßen.

Das sah auch Uwe Schummer so: "Es gäbe sicher intelligentere Lösungen", meinte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Willich. Die Maut-Idee aus Bayern könne hier nicht funktionieren: "Wir Niederrheiner sind große Europäer!" Auf gemeinsame Entwicklungskonzepte der Regionen Niederrhein und Venlo verwies Nettetals Bürgermeister Christian Wagner: "Da passt uns keine Maut."

Statt einer deutschen Maut müsse eine europaweite, in allen Ländern gleiche Regelung in Sachen Straßenbenutzungsgebühr her, forderte Schummer. Eher pragmatisch sah das Problem CDU-Ratsfrau Vera Gäbler: "Bei einer Maut werden sich in Holland alle kurz aufregen, wenn aber der Weihnachtsmarkt in Düsseldorf kommt, fahren sie doch hin und zahlen die Gebühr." Dem widersprach Teeuwen. Er glaube dies nicht.

(jobu)
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