Nettetal So knusprig ist die Hinsbecker Heide

Nettetal · 246 Schafe arbeiten sich an der Jugendherberge durchs Gelände. Sie fressen beinahe alles, was ihnen vors Maul kommt - und sorgen so dafür, dass die Heide im kommenden Jahr noch schöner blüht.

Wären die Schafe nicht, wäre es an diesem Morgen in der Hinsbecker Heide ganz still. Ein Spaziergänger, der mit seinem Hund vorbeikommt, nickt grüßend und geht weiter. Kein Motorengeräusch ist zu hören, kein Quietschen von Fahrradbremsen, kein Geflatter von Vögeln. Das Einzige, was an diesem Morgen in der Heide deutlich zu hören ist, ist das Kaugeräusch, das aus 246 Schafsmäulern dringt. So knusprig klingt also die Hinsbecker Heide.

Die 246 Schafe fressen sich über das Gelände an der Jugendherberge. Sie futtern beinahe alles, was ihnen vors Maul kommt. Gras vor allem, aber auch Heidepflanzen. Der Wanderer mag es schlimm finden, dass die Schafe zum Teil auch den blühenden Zweigen der Calluna vulgaris den Garaus machen, aber so schlimm ist das eigentlich gar nicht, sagt Norbert Neikes. Er ist Biologe und arbeitet bei der Biologischen Station Krickenbecker Seen. "Die Schafe verjüngen die Heide", sagt Neikes, "dann blüht sie im kommenden Jahr umso schöner".

Die Schafe kauen in der Hinsbecker Heide im Auftrag der Biologischen Station. Erstmals ist es dem Förderverein der Station in diesem Jahr gelungen, mit Hilfe von Spenden eine Schafherde für die Heidepflege zu buchen. Es sind Kempische Heideschafe aus den Niederlanden, die meist zwischen Venlo und Arcen unterwegs sind. Nun sind die Tiere für kurze Zeit grenzüberschreitend tätig. Im Frühsommer waren die Schafe schon einmal in Hinsbeck, jetzt im Herbst vollenden sie die begonnene Arbeit.

Ihnen zur Seite stehen die beiden Hütehunde, die dafür sorgen, dass die Herde auch brav in der Heide bleibt und nicht etwa im nahen Wäldchen nach Nahrung sucht. Die Eicheln dort, sagt Schäfer Ramon van Schendel schmunzelnd, seien nämlich "wie Bonbons, da wollen die Schafe unbedingt hin". Doch die Tiere sollen sich geschmacklich voll auf die Heide konzentrieren. Der Schäfer muss also darauf achten, dass die Schafe ihre Arbeitsstelle nicht verlassen. Immer wieder ruft er "Bobby! Hold back! - Halte sie zurück!" Dann prescht der Hütehund los und treibt die Schafe, die sich schon im Wäldchen an den Eicheln gütlich tun, zurück in die blühende Heide.

Der Erhalt der Heide in Hinsbeck ist aus mehreren Gründen wichtig, erklärt Biologe Neikes. Zum einen erinnert die Heide als Kulturlandschaft an vergangene Zeiten. Die Landschaft sei früher viel stärker genutzt worden als heute, erzählt Neikes. Weil es viele Schafe gab, gab es auch große Heideflächen, die die Umgebung prägten. Zum anderen bietet die Heidelandschaft für viele geschützte Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Neikes weist auf den Sandmagerrasen, in dem sich Leben entwickelt, das anderswo nicht wachsen kann. Er zeigt auf heimische Ginsterarten, die so große Dornen haben, dass sogar die Schafe lieber einen Bogen drum herum machen. Er streicht über Borstgras und kleine Segge-Arten, die wie dicke Puschel auf der Ebene stehen.

Der Naturschutzbund besorgte im Sommer das Grobe: Die Naturschützer entfernten Gehölze und Brombeerranken aus der Heide. Die Schafe kümmern sich jetzt um die Feinarbeit. Neben dem Fressen bringen die Tieren noch eine Fähigkeit mit: Sie transportieren über ihr Fell oder durch Fressen und Ausscheiden die Samen der unterschiedlichsten Pflanzen weiter und sorgen so für eine natürliche Verbreitung der Pflanzen. Außerdem trampeln sie mit ihren Hufen über den Boden. Das macht ihn locker und weich. Die Pflänzchen können so besser gedeihen. Wenn Neikes Führungen durch die Heide macht, zeigt er Wanderern die zum Teil winzigen Pflanzen, die es dort gibt. Der Biologe kennt sie alle. Denn die Fachleute notieren regelmäßig, welche Arten in der Heide gedeihen.

Die Resonanz auf die Arbeit der Schafe ist sehr gut, sagt Biologe Neikes. Vom Verkehrsverein und von der Stadt hört er nur Positives. Auch für Spaziergänger ist die kauende Herde in der Heide ein hübsches Bild. So lange haben keine Schafe mehr dort gestanden, dass die Tiere nun für Aufsehen sorgen. Ein Pluspunkt für den Fremdenverkehr. Neben den Biologen dürften sich auch Ausflügler freuen, wenn dem ersten Einsatz der Schafe weitere folgen.

(RP)
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