Nettetal Soetelsche Muhresoat wird Lobbericher Gelbe

Nettetal · Wie ein Ortsname zur Bezeichnung einer Gemüsepflanze wird, die nicht nur "viehverträglich" ist, sondern auch Menschen schmeckt: Einmal im Jahr beim Heimatverein "Stammtischrunde".

 Die "Lobbericher Gelbe" wird von September bis März nach Bedarf geerntet. Traditionell wird aus der Möhre "Muhrejubbel" gekocht.

Die "Lobbericher Gelbe" wird von September bis März nach Bedarf geerntet. Traditionell wird aus der Möhre "Muhrejubbel" gekocht.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Seit einigen Jahren wird am ersten Mittwoch im Oktober auf besonderen Wunsch in der Küche des Hotels "Stadt Lobberich" ein spezielles Gericht zubereitet: "Muhrejubbel" kommt dann auf den Tisch, wenn sich der Heimatverein "Stammtischrunde" trifft. Mit diesem Essen hält er die Erinnerung an ein lokales Erzeugnis wach, das vermutlich seinen Ursprung in Süchteln hatte, in Thüringen den Namen "Lobbericher Gelbe" erhielt und heute noch in Breyell in größerem Umfang angepflanzt wird. Es ist eine Möhrensorte, die den wissenschaftlichen Namen "daucus carota ssp. sativus" trägt.

Stichwort "Neue Länder": Bei einem Besuch der Lutherstadt Wittenberg, über 20 Jahre ist es her, entdeckten wir in einem Samengeschäft die "Lobbericher Gelbe", die uns der Händler beredt anpries: "Sie ist sehr zart, es ist keineswegs nur eine Futtermöhre, man kann sie auch essen." Auf dem Tütchen von Samen Mauser aus Quedlinburg, das wir später auch noch im Spreewald entdeckten, wird die Möhre sehr positiv beschrieben: "Späte, sehr ertragreiche, walzenförmige, abgestumpfte, gelbfleischige Möhren mit grüner Schulter, die etwas aus der Erde wachsen."

Stichwort Quedlinburg: In diese Stadt am östliche Rand des Harzes soll zum Ende des 19. Jahrhunderts der in Lobberich-Dyck unterrichtende Lehrer Mohns Möhrensamen geschickt haben. Nach Angaben von Günter Nonninger, Sohn des Lobbericher Samenhändlers Anton Nonninger, haben damals Saatzuchtanstalten "hinterm Thüringer Wald" nach den besten Futtermöhren aus Lobberich und Umgebung gesucht. Mohns hat gewissenhaft gesammelt, aber vermutlich keine exakten Sortenbezeichnungen überliefert. Nonninger folgerte deshalb: "Weil sie keinen Namen hatte, hat man sie einfach 'Lobbericher' genannt".

Nun aber ist zu vermuten, dass die "Lobbericher Gelbe", die auch "Große Lobbericher" genannt wird, aus Süchteln stammt. Dort hat sich der Landwirt Paul Luhnen aus Vorst ab 1870 mit einer Möhrenzüchtung beschäftigt, die "viehverträglich" war. Das gelang ihm auch nach einem Jahrzehnt in vortrefflicher Weise, so dass man in landwirtschaftlichen Kreisen bald von der "Süchtelner Möhrensaat" sprach. Nach dem Tod von Paul Luhnen (1926) geriet die Süchtelner Möhre in Vergessenheit, doch ging der Zuchterfolg nicht völlig unter, sondern er lebt "heutigen Tages weiter unter der Bezeichnung 'Lobbericher gelbe Futtermöhre'", ist im Internet unter dem Stichwort "Soetelsche Muhresoat" verzeichnet.

Die "Große/Gelbe Lobbericher" ist in Frankreich als "Jaune de Lobberich" bekannt; sie wird in der Schweiz "Pfälzer" genannt und gilt in England als die "German yellow carrot". Sie wird in einem weiteren Internet-Eintrag als Spezialität aufgeführt, die viel zu bieten hat: "Sie schmeckt fruchtiger und besonders im jungen Zustand süßer als viele der heute üblichen Züchtungen." In dem Internet-Chat "Garten-Pur" verrät eine Bea, dass die "Lobbericher Gelbe" schmeckt, "wie Karotten schmecken sollen". Und auch als Diabetiker-Gemüse sei die "Lobbericher" bestens geeignet, teilt sie mit.

Aber auch Giraffen und andere Großtiere im Krefelder Zoo genießen die schmackhafte "Lobbericher Gelbe", die auf einem Hektar Land im Südwesten Breyells wächst und vom September bis in den März je nach Bedarf geerntet wird. Seit den 1970er-Jahren baut die Familie Schell diese Möhrenart an: 80 Prozent werden verfüttert, 20 Prozent landen in Kochtöpfen. Die "mittleren bis leichten Böden" in den Sektionen Bieth-Gier-Natt eigenen sich nach den Erfahrungen von Johannes Schell sehr gut für den Anbau. Auf den schwereren Böden in Lobberich wachse sie nicht so gut. Vor einem Jahrzehnt noch hatte auch der Landwirt Anton Bergmans an der Lobbericher Straße die Möhren in seinem Hofladen im Angebot.

"Ideal für Eintöpfe" beschreibt der westfälische Samenhersteller Kiepenkerl die "Lobbericher, gelbe" auf seinen kleinen Tütchen. Wie der "Muhrejubbel" oder der "Muhrepruchel" dann zubereitet wird, ist je nach Ort verschieden. Zu Möhren, Kartoffeln (oftmals in Würfeln geschnitten) und geräuchertem Speck fügen einige kundige Köche oder Köchinnen auch noch Bohnen und Suppengrün hinzu. Wohl bekomm's!

Wer selbst einmal die "Lobbericher Gelbe" in seinem Garten anpflanzen will, erhält kleine Samentütchen in Grünen Warenhäusern. Der Inhalt reicht für rund zehn Meter Aussaat.

(mme)
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