Nettetal Streusalz in privater Hand ist ein Tabu

Nettetal · In Nettetal dürfen Privatleute kein Streusalz gegen Glätte einsetzen. Damit sollen schädliche Auswirkungen auf Gewässer, Tiere und Pflanzen vermieden werden. Ärgerlich ist, dass Geschäfte Streusalz dennoch anbieten.

 Die Lobbericher Burgstraße im vergangenen Winter. Ein Räumfahrzeug der Stadt ist unterwegs im Einsatz. Passanten quälen sich über den ungeräumten Gehweg. Anlieger sind verpflichtet, Schnee wegzuräumen - Streusalz ist verboten.

Die Lobbericher Burgstraße im vergangenen Winter. Ein Räumfahrzeug der Stadt ist unterwegs im Einsatz. Passanten quälen sich über den ungeräumten Gehweg. Anlieger sind verpflichtet, Schnee wegzuräumen - Streusalz ist verboten.

Foto: Busch

Armer Regenwurm: "Die Zellen können keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen - im Gegenteil, der Wurm trocknet aus", schildert Ansgar Reichmann das Leiden des Tieres. Der Leiter der Biologischen Station Krickenbecker Seen nennt die Ursache für solch eine Quälerei: "Salz, zum Beispiel Streusalz, hat im Boden verheerende Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen." Umso weniger versteht der Biologe, dass trotz des Verbotes "Streusalz viel zu leichtfertig eingesetzt wird". Wie zum Beispiel kürzlich beim letzten leichten Winterwetter.

Ein bisschen Frost, ein bisschen Schnee - und schon rückten Bürger mit den Streusalzeimern. So eine Kaldenkirchenerin, die lauthals über die "Besserwisserei" eines Nachbarn schimpfte. Der hatte sie darauf hingewiesen, dass sie kein Streusalz verwenden dürfe. "Da kann man sich den Mund fusselig reden", sagte der Mann resignierend. Auch der Hinweis auf entsprechende Verbote durch die Stadt nützte nichts. Dabei kann ein Verstoß ernste Folgen haben.

"Das kann ein Bußgeld geben, wenn man ordnungswidrig handelt. Denn Salz dürfen Sie grundsätzlich nicht streuen", warnt Theo Sieben. Er ist im Steueramt der Stadt Nettetal mit dem Ortsrecht befasst. Darunter fällt die Straßenreinigungssatzung. Sie regelt, wie gestreut werden darf und wie nicht: "Nur abstumpfenden Mittel wie Sand oder Granulat sind erlaubt." Lediglich die Winterdienste der Kommunen dürfen Streusalz verwenden.

"Salze oder sonstige auftauende Stoffe, Sole, dürfen, wie übrigens in den meisten Städten auch, grundsätzlich nicht gestreut werden", unterstreicht Sieben. Zur Begründung führt er an, dass es "zu weitreichenden Schädigungen des Bodens, des Grundwassers, der Pflanzen oder auch der Bauwerke kommen kann".

Wie sich Streusalz im Erdreich verbreitet, schildert Hans-Georg Emmerich, beim Naturschutzbund Krefeld-Viersen (Nabu) lange für Gewässerfragen zuständig: "Das gelöste Salz kann ins Oberflächenwasser gelangen, in Gartenteiche gespült werden und in tiefere Erdschichten einsickern."

Vor den schädlichen Auswirkungen warnen die Gewässer- und Bodenverbände. Dass gelöstes Streusalz in Kläranlagen "nicht abgebaut" werden kann, erläutert Margit Heinz vom Niersverband. Auch wenn Pflanzenschutzmittel ein größeres Problem darstellten, könne in Gewässern angereichertes Salz "Pflanzen und Tiere schädigen". Experten sprechen von "Chloridbelastung durch Tauwasser", ergänzt Volker Dietl vom Netteverband. Riesige Mengen von Streusalz kämen durch Privatleute kaum zusammen, "aber Kleinvieh macht eben auch Mist".

Natürlich sollen Menschen durch den Verzicht aufs schädliche Streusalz nicht gefährdet werden. Deshalb sieht die Nettetaler Satzung Ausnahmen bei "Eisregen" sowie zum Beispiel "für Treppen, Stufen und Rampen" vor. Dort darf laut Sieben, "sofern wirklich notwendig, Salz gestreut werden". Zudem werde "wohl niemand etwas dagegen haben, wenn vorm Krankenhaus oder vor Altenheimen gestreut" werde.

Dass manche Bürger allen Verboten zum Trotz Streusalz verwenden, hat laut Klaus Ossmann auch einen Grund im unüberlegten Kaufverhalten: "Es ist ärgerlich, dass Geschäfte für billiges Streusalz werben, obwohl sie wissen, dass die Anwendung verboten ist", klagt der Chef des Ordnungsamtes.

Wo Salz dennoch angewendet wird, leiden nicht nur Mikroorganismen im Boden: "Die Ionen verändern das osmotische Verhalten der Zellen", sagt Biologe Reichmann. Die Erklärung schiebt er hinterher: "Statt Feuchtigkeit aufzunehmen, geben die Zellen sie ab, darum können theoretisch sogar Straßenbäume austrocknen." Noch eher und mehr aber müssten die nützlichen Weichtiere dran glauben: "Die Würmer sind als erste dran.

(jobu)
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