Nettetal Synagoge erhält endlich ihr Mahnmal

Nettetal · Mit großem Beharrungsvermögen haben Jugendliche der Gesamtschule Nettetal sich dafür eingesetzt, dass es in Breyell nun auch eine Gedenkstätte gibt. Jack Klaber, Nachfahre einer jüdischen Familie, reist dazu aus Israel an.

 An der Einmündung der Jupp-Busch-Straße in die Biether Straße steht das Synagogen-Mahnmal. Im Original stand die Synagoge etwas weiter auf einem Grundstück, das wegen eines Insolvenzverfahrens nicht verfügbar ist.

An der Einmündung der Jupp-Busch-Straße in die Biether Straße steht das Synagogen-Mahnmal. Im Original stand die Synagoge etwas weiter auf einem Grundstück, das wegen eines Insolvenzverfahrens nicht verfügbar ist.

Foto: Busch

In den vergangenen Monaten hat Jack Klaber sehr oft nach Deutschland telefoniert. Am Samstag wird er noch ganz persönlich einmal in Breyell sein. Das ist der Ort, der seiner Familie über mehrere Generationen Heimat war. Aber in diesem Ort erreichte nach der "Machtergreifung" durch die Nazis der Terror am 9. und 10. November 1938 einen ersten Höhepunkt. Die Synagoge wurde niedergebrannt. Jüdische Familien wurden später deportiert. Die meisten kamen um. Jugendliche und Lehrer der Gesamtschule haben erreicht, dass 75 Jahre nach dem Terror endlich ein Mahnmal zur Erinnerung an die Synagoge errichtet wird.

Jack Klabers Vater Fritz überlebte den Holocaust, seine Frau Ilse und sein Sohn Werner kamen jedoch nach ihrer Deportation in Riga um. Dennoch kehrte Fritz Klaber nach Kriegsende zunäcst zurück nach Breyell. "Mein Vater hat über die Vorgänge geschwiegen. Er ist Mitte der 1950er-Jahre dafür entschädigt worden, dass man der Familie ihren Hof im Felderend abgenommen und sie für die Beseitigung des Schutts der abgebrannten Synagoge herangezogen hatte. Auch das Grundstück an der Biether Straße, auf dem die Synagoge stand, erhielt er zurück", erinnert sich Jack Klaber, Sohn aus einer zweiten Ehe.

Fritz Klaber hielt es schließlich doch nicht aus in dem Dorf, in dem ihm und der Familie Ungeheuerliches angetan worden war. Er vernichtete alle Papiere und wanderte aus nach Israel. Sein Sohn Jack wohnte etliche Jahre in Venlo, er studierte in den 1970er-Jahren in Köln. Heute lebt er in Haifa. "Ich habe durch einen Artikel der Rheinischen Post vor einigen Jahren erst erfahren, dass in Breyell eine Synagoge stand und dass mein Großvater an ihrem Bau maßgeblich beteiligt war. Bis dahin mussten Juden die Synagoge in Kaldenkirchen aufsuchen. Das war ein langer Fußmarsch, und am Sabbat war es aus religiösen Gründen problematisch, diesen Weg zu gehen."

Am Samstag beginnt in Breyell an der Jupp-Busch-Straße, wo das Mahnmal bereits aufgebaut wird, um 11 Uhr die Gedenkfeier. Jack Klaber bedauert sehr, dass keine Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde Düsseldorf da sein können — eben wegen des Sabbat-Gebotes. "Ich finde es sehr schade, denn ein Mahnmal für eine Synagoge ist etwas ganz Besonderes. Es ist die Erinnerung an die Religiosität unserer Vorfahren. Das hat einen anderen Stellenwert", sagt er. Sein Vater sei ein sehr religiöser Mensch gewesen. Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf bestätigt Klabers Einschätzung. Natürlich sei es bedauerlich, dass die Gemeinde wegen des Sabbats keine Vertreter entsenden könne, aber das werde die Gedenkveranstaltung keineswegs beeinträchtigen.

Den Entwurf zum Mahnmal entwickelten Gesamtschüler, die sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Geschichte beschäftigt haben. Sie reisten zu Beginn des Jahres auch nach Auschwitz, sprachen mit Zeitzeugen und Nachfahren und spürten dem Schicksal einzelner Menschen auch in ihrer Stadt nach. Vera Gäbler, die bereits Kontakte zu Jack Klaber geknüpft hatte, ließ Stolpersteine in Breyell verlegen. Die Gesamtschüler setzten die Aktion in Kaldenkirchen fort. Dort erforschten sie das Schicksal des Kindes Hedi Lion. Sie wurde 1932 in Kaldenkirchen geboren und 1941 mit ihrer Familie und anderen Juden aus der Kleinstadt nach Riga deportiert. Dort wurde sie 1943 verschleppt und starb vermutlich wenig später. Ihre Mutter, die der Vernichtung entging, erzählte später über das Schicksal der Familie und ihres Kindes.

Julietta Breuer, Lehrerin an der Gesamtschule, war noch während der Herbstferien in Israel, wo sie auch mit Jack Klaber zusammentraf. Sie begleitete die Gesamtschüler bei den Projekten und half ihnen bei ihrer Arbeit. An der Gesamtschule entstand auch durch eine weitere Arbeitsgruppe der Entwurf zum Mahnmal.

(RP)
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