Nettetal Tafeln versorgen 2500 Menschen

Nettetal · Die Tafel-Vereine weisen die Kritik der Wohlfahrtsverbände zurück: Diese hatten bemängelt, dass die Zahl der Tafeln immer weiter steigt. Auch im Kreis Viersen sind die Essensausgaben längst etabliert. Das sei gut so, sagen die Betreiber.

 Luzia Witthake, Vorsitzende der Viersener Tafel an der Hohlstraße, verzeichnet viel Zulauf zu ihrer Einrichtung. Sie nimmt auch die seelischen Folgen der Entbehrungen ihrer Klienten wahr.

Luzia Witthake, Vorsitzende der Viersener Tafel an der Hohlstraße, verzeichnet viel Zulauf zu ihrer Einrichtung. Sie nimmt auch die seelischen Folgen der Entbehrungen ihrer Klienten wahr.

Foto: Busch

Die Wohlfahrtsverbände sollten nicht die Tafeln kritisieren, sondern die Politiker, sagt Bernd Zenner. Der Schwalmtaler leitet den örtlichen Tafel-Verein und ärgert sich, dass in der vergangenen Woche die Lebensmittelausgaben angegriffen wurden. Zenners Ansicht nach müsste sich die Politik verändern, damit die Tafeln nicht mehr nötig sind. Der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Hermann Zaum, hatte gesagt, Lebensmittelausgaben sollten keine Instrumente der regulären Existenzsicherung werden. "Sie dürfen nicht dauerhaft etabliert werden", erklärte er.

Doch die Kritik kommt spät. Die Tafeln sind längst etabliert, auch im Kreis Viersen. Allein in Schwalmtal, Brüggen, Nettetal und Viersen versorgen sie jede Woche etwa 2500 Menschen mit kostenlosen Lebensmitteln. Sie sammeln sie bei Bäckern, Bauern und Supermärkten ein. Die Waren würden sonst weggeworfen, meist, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht sei.

Ihre Produkte vergeben die Tafeln an Menschen, die nachweisen, dass sie bedürftig sind — weil sie Sozialleistungen nach Hartz IV bekommen, einen geringen Satz Arbeitslosengeld I oder die Mindestrente. Der Nachweis wird regelmäßig geprüft.

Eigentlich sollen die Nahrungsmittel ein Zusatz für die Bedürftigen sein, schreibt der Bundesverband — damit sie sich auch mal den Eintritt zu einer Kulturveranstaltung leisten können oder eine schöne Kleinigkeit. Doch die Tafel-Vorsitzenden beobachten, dass für einige ihrer Kunden die Hilfe über einen bloßen Zusatz hinausgeht. 132,71 Euro pro Monat — so viel erhalten Harzt-IV-Empfänger für Lebensmittel — reichten nicht aus, um sich zu versorgen. Hans Aldenkirchs rechnet vor: "Wenn Sie ein Brötchen frühstücken, kostet das schon mindestens 30 Cent. Dann brauchen Sie noch was drauf. Ein erwachsener Mensch wird von einem Brötchen nicht satt, der braucht noch ein zweites, vielleicht einen Kaffee dazu oder Tee, der ist billiger." 1,50 Euro koste so allein die erste Mahlzeit des Tages. Es sei schwierig, von den verbleibenden 2,80 Euro am Tag Mittag- und Abendessen zu bezahlen. Luzia Witthake, Vorsitzende der Viersener Tafel, sieht auch seelische Folgen der Entbehrungen. "Sie können sich von diesem Satz nichts leisten. Sie müssen immer ,Nein' sagen, wenn ihr Kind ein Eis haben möchte. Wenn Sie das ein Jahr erleben, geht es vielleicht. Aber wenn sich über Jahre an dem Zustand nichts ändert, ist das sehr schlimm."

Und so haben die Tafeln viel Zulauf. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl der Menschen, die Lebensmittel von der Nettetaler Tafel erhalten, um etwa 200 Menschen auf mehr als 700 erhöht. In Schwalmtal habe sie sich innerhalb der vergangenen Jahre sogar verdoppelt, sagt Zenner.

Aldenkirchs und Zenner hielten es für richtig, den Bedürftigen mehr Geld zur Verfügung zu stellen. "Am liebsten wäre es mir, man bräuchte die Tafel nicht", sagt Aldenkirchs. Doch so lange Supermärkte weiter massenhaft Lebensmittel wegwerfen und Bedürftige sie haben wollen, hält er die Tafeln für notwendig.

FRAGE DES TAGES

(RP/ac)
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