Nettetal Temporeiches Swing-Musical in Nettetal

Nettetal · "City of Angels" verband in der Werner-Jaeger-Halle auf rasante Weise Drehbuch-Entstehung und Drehbuch-Handlung.

Etwas verrückt und schräg, von einem nervösen Tempo durchtrieben, fieberte das Swing-Musical "City of Angels" zwischen Filmhandlung und vorgeblicher Realität. Das Theater im Rathaus Essen brachte in Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste die Geschichte um den Drehbuchautor Stine und dem von ihm erfundenen Privatdetektiv Stone auf die Bühne der Werner-Jaeger-Halle in Lobberich. Die Beteiligung der Hochschule garantierte dem Ensemble viele auffallend junge Akteure, die zugleich Präsenz und Professionalität ausstrahlten.

In zwei Akten jongliert das Musical nach Larry Gelbarts Buch in fließenden und abrupten Übergängen mit den Handlungsebenen: Die eine ist im Hollywood der 1940er-Jahre angesiedelt und bringt die Entstehung eines Filmdrehbuchs auf die Bühne. Die andere greift die Drehbuch-Handlung auf. Henner Kallmeyers Inszenierung verquickt und kontrastiert dies alles rasant mit Lust an der Überzeichnung und Karikatur, einschließlich Seitenhieben auf die Genres.

Zu Anfang entführte Karen D. Savages Choreographie in die düstere Atmosphäre eines Film Noir, Hermann Bedke tauchte als zynischer Detektiv Stone natürlich im obligatorischen Trenchcoat auf. Wie beim Filmschnitt brach der Handlungsstrang ab, während das Licht auf den Drehbuchautor Stine fiel, gespielt und gesungen von Alexander Sasanowitsch. Dieser Schlagabtausch zwischen den Ebenen blieb zentraler Motor. Eine Szene wurde etwa gespielt und im nächsten Moment vom Filmproduzenten Buddy Fidler laut gelesen und kritisiert.

Während der Autor wütend eine Textseite zerknüllte, falteten sich in der Parallelszene die Darsteller zu Boden sinkend ähnlich zusammen. Zum neu eingelegten Blatt in der Schreibmaschine nahmen sie ihr Spiel mit Textabwandlungen wieder auf. Sasanowitsch spielte den Romanautoren im Ringen mit der künstlerischen Freiheit und den Erwartungen des Produzenten. Er gab seiner Figur erst einen Schuss Naivität und später Kampfgeist.

Grandios war die Szene, in der sich Autor und Romanfigur an der Schreibmaschine im Kampf gegen den Produzenten verbünden. Merlin Fargel mimte diesen als überheblichen Machtmenschen, aber auch in der Karikatur einer Person mit Schwächen. Anspielungsreich überzeichnet gab das Vokal- und Tanzquintett seine Speichellecker, die scheinbar zum Klumpen verwachsen hinter dem Idol her hecheln.

Hanna Mall mimte kaltblütig die Femme fatale und glänzte zum Beispiel in der Aneinanderreihung musikalischer Zitate mit hohem Assoziationswert. Dreh- und Angelpunkt erotischer Andeutungen und Partnerwechsel war das hochkant eingeschobene Bett, das in der ungewohnten Aufsicht den voyeuristischen Blick mit einbezog.

Beata Kornatowskas Ausstattung schloss die Bühne an den Seiten und nach hinten mit Silhouetten von Los Angeles in einer symbolisierten Filmrolle ab. Ein parallel verlaufendes Podest bot Raum für die Band um Patricia Martin, Professorin für Musikalische Einstudierung und Leiterin des Studiengangs Musical. Die Band fing den charakteristischen Sound von Cy Colemans Musik ein und schien in den Barszenen Teil der Handlung zu sein.

(anw)
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