Heimat erleben in Nettetal Tilia pallida Typ Lappen aus Nettetaler Boden

Nettetal · Die Kulturen von Dieter Lappen sind nicht zu übersehen: Seine Baumschule bewirtschaftet rund 650 Hektar Fläche im Raum Nettetal und Venlo. Ihre Bäume gehen von hier aus hinaus in die ganze Welt.

 Kugelig oder auch in verschiedenen Kastenformen - die Baumschule Lappen zieht ihre qualitativ hochrangigen Bäume im engen Umkreis von Kaldenkirchen.

Kugelig oder auch in verschiedenen Kastenformen - die Baumschule Lappen zieht ihre qualitativ hochrangigen Bäume im engen Umkreis von Kaldenkirchen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Fragt man Dieter Lappen, ob er Bäume liebe und welche Art ganz besonders, leuchten die Augen des 72-Jährigen auf: "Tilia pallida Typ Lappen", sagt er - nein. Es sprudelt aus ihm heraus. Die "Kaiserlinde", mit der sein Großvater Adolf Lappen vor mehr als hundert Jahren die Wurzeln der Baumschule Lappen anlegte. Das geschah im wahren Wortsinn.

 Die Zieräpfel und die anderen Bäume stehen in Breyell-Natt.

Die Zieräpfel und die anderen Bäume stehen in Breyell-Natt.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Denn die Linde der Berliner Baumschule Spaeth, die längst nicht mehr existiert, hatte Kaiser Wilhelm II. ausgesucht für die "Siegesallee" quer durch den Tiergarten zum Königsplatz mit der Siegessäule vor dem Reichstag. Die Bäume begleiteten 32 Marmorstandbilder mit Grafen, Fürsten, Königen und Kaisern - von den Berlinern spöttisch als "Puppenallee" bezeichnet.

Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt, ein Teil der Skulpturen gilt als verschollen. Die Bäume wurden, wie der gesamte Tiergarten, in den Notzeiten abgehackt für Feuerholz. Der Linde hat das nicht geschadet. Adolph Lappen tat nämlich etwas bis heute weitgehend Ungewöhnliches. Er zog aus der Linde quasi durch Absenker neue Bäume, sie werden nicht auf einem anderen Baum veredelt, wie das beispielsweise bei Obstsorten durchweg geschieht.

"Unsere Bäume sind wurzelecht. Welche Vorteile sich daraus ableiten lassen, haben wir erst sehr viel später erkannt", erzählt Dieter Lappen. Lappen gewinnt sie aus "Urwurzeln" auf seinem Gelände zwischen Herrenpfad-Nord und Leuther Straße. in Kaldenkirchen. Sie sind tief in der Heimat des Baumschulen-Chefs verwurzelt. Ausgewachsen stehen sie vor der Mailänder Scala, an der Kreml-Mauer in Moskau, am Stadion von Astana, auf dem Olympia-Gelände von Sotschi, an der Avenue des Champs Élysées in Paris, an der Straße des 17. Juni in Berlin. Zur "Chelsea Flower Show" in London greifen Spitzengärtner immer wieder auf Lappens Produkte, vor allem auf die Linde, zurück.

"Früher habe ich mit gewissem Neid auf Wettbewerber geschaut, die im Raum Frankfurt oder Stuttgart, jedenfalls nicht in Grenznähe wirtschaften konnten. Heute sehe ich das anders. Kaldenkirchen, der Niederrhein - das ist nicht nur meine Heimat. Die Böden und das Klima hier sind entscheidend für die Qualität unserer Bäume", schwärmt Lappen. 120 Wachstumstage beschert der Niederrhein den Bäumen. "Wir haben das sogar auf die Nacht ausgedehnt", scherzt Lappen. Je weiter man nach Osten geht, desto kürzer werden die Vegetationszeiten. Das von der Nordsee beeinflusste niederrheinische Klima gilt als mild und gemäßigt. "Große Hitze kostet die Bäume bis zu vier Wochen Wachstum. In südlichen Gefilden macht sich das bemerkbar", erklärt Lappen. Allerdings bereiten ihm die Veränderungen Sorgen. Im Sommer regnet es weniger, im Winter öfter und vor allem immer heftiger.

Die Böden sind der besondere Schatz der Baumschule. "Wir bewirtschaften 40er- bis 80er-Böden, weichen bei starker Nässe aber aus auf sandige Böden. Die Flusslandschaften von Rhein und Maas haben uns damit gesegnet, und wir achten sehr darauf, dass die Struktur im Boden nicht zerstört wird", betont er. Gezielt beschäftigt er daher Menschen, die aus der Landwirtschaft kommen. "Ihre Verbundenheit mit Klima und Boden ist unersetzlich, und wir haben gelernt, die Pflanzen zu beherrschen." Hohe Fachlichkeit ist Lappen enorm wichtig. Die dickleibigen Kataloge erscheinen nicht nur in fünf Sprachen. Er achtet darauf, dass Mitarbeiter mit Kundenkontakt Englisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch oder Russisch beherrschen.

Immer wieder untersucht Lappen die Böden. Gedüngt wird an Nährstoffen, was die Bäume dem Untergrund entziehen. Das Spritzen von Kronen sei keine Schädlingsbekämpfung, versichert er. "Wir düngen die Blätter." Wenn Bäume geerntet werden, müssen die Wurzeln eingekürzt werden. Sie können dann weniger Nährstoffe aufnehmen, zehren aber vom Vorrat in den Blättern. Die Böden profitieren davon, dass Schnittgut und Laubfall bleiben und so die Struktur anreichern. "Unmengen von Regenwürmern sorgen dafür, dass der Boden gut durchlüftet ist - auch das ist ein wesentlicher Faktor für die Qualität der Bäume." Grundsätzlich gibt Lappen genaue Pflanzanweisungen mit, ob er selbst ausliefert oder nicht. "Wenn ein Baum gut und richtig gepflanzt wird, dann geht alles", versichert er. Mitarbeiter haben ihn vor einiger Zeit fotografiert, wie er im Anzug vor dem Kreml auf einer Leiter steht und den Baum eines anderen Lieferanten zurechtschneidet. Er kann nicht ansehen, wenn Bäume in einem schlechten Zustand sind, und war gebeten worden, nachzuschauen.

Den Erfolg seines Unternehmens führt Lappen auf viele Details in der Entwicklung zurück. "Ich habe beispielsweise das Glück gehabt, als junger Mensch alte Handwerker zu erleben und von ihren Kenntnissen zu profitieren", sagt er. Das Unternehmen hat sich durch Qualität einen unschätzbaren Ruf erarbeitet. Den andauernden Erfolg umschreibt Lappen so: "Man wird in Aufträge gehoben." Baumschulen gehen immer hohe Risiken ein. Was heute gepflanzt wird, kann frühestens in zehn bis zwanzig Jahren geerntet werden. Bis dahin können sich Moden und Einstellungen gegenüber bestimmten Baumarten ändern. Der intensive Besuch und die eigene Organisation von internationalen Fachmessen und Seminaren vermittelt dem Unternehmen auch eine Peilung, wohin der Markt geht. Eines aber bleibt. Lappen ist in Kaldenkirchen zu Hause und bemüht sich, in der Umgebung weitere Flächen zu gewinnen. Weite Fahrten zu abgelegenen Kulturen verabscheut er. "Wir wollen nicht viel Zeit auf der Straße verbringen." Behaupten muss er sich mit einer großen Anbauvielfalt in einer Region, in der außer seinen Sonderkulturen der Gemüsebau bedeutender wird. Symbol für die Verankerung in der Heimat ist und bleibt die Tilia pallida Typ Lappen - einer der weltweit wichtigsten Exportschlager des Niederrheins überhaupt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort