Nettetal V 1-Angriff 1945: Eine der letzten Überlebenden ist tot

Nettetal · Eine fehlgeleitete V1 schlug am 19. Februar 1945 im Westen des Lobbericher Zentrums ein. Die damals achtjährige Gertrud Terstappen überlebte unverletzt. Vergessen hat sie das Geschehen nie

Eine V1-Rakete, die England als Ziel hatte, brachte am Montag, 19. Februar 1945, den Tod nach Lobberich. Wie viele Menschen damals umkamen, wurde nie geklärt. Doch es waren mindestens 45, die nach Augenzeugenberichten in der alten Kirche aufgebahrt wurden; an die Hundert wurden verletzt. Gertrud Terstappen (geborene Thissen), damals acht Jahre, gehörte mit ihrer Mutter zu den Überlebenden. Im Alter von 80 Jahren ist die frühere Kauffrau jetzt nach kurzer Krankheit verstorben.

Beide standen während der Mittagszeit in einem Anbau des Hauses Hochstraße 7 in der Küche, als sich nach der "ohrenbetäubenden Detonation" plötzlich das Dach hob. Das Mädchen wurde unter einen Tisch geschleudert und blieb so vor herabstürzenden Mauerbrocken geschützt. Seine Mutter lief dagegen in Todesangst ins Freie und wurde dort von den Ästen eines umstürzenden Nussbaums leicht verletzt. Gerettet wurde aus den Trümmern des Hauses nur der kleiner Bruder Josef (6). Die Großeltern, eine Tante, eine Verkäuferin im Laden und ein Soldat konnten nur noch tot geborgen werden.

Die meisten Todesopfer gab es im Hotel Köster nebenan. Im Hotel hielten sich an diesem Morgen rund 40 Soldaten des Volksturms auf. Nach Berichten sollen sie bei der Explosion des Geschosses Feldbetten abgeladen haben, die mit einem Pferdegespann angekommen waren. Menschen, Tiere und Geräte seien von der Druckwelle zerrissen und umhergeschleudert worden bis in die Kronen der Pappeln am Eingang zum Ingenhovenpark.

Die Nationalsozialisten testeten im Dezember 1942 die Flugbombe V1 (offizielle Bezeichnung: Flakzielgerät Fi103). Der Marschflugkörper war rund 2,2 Kilogramm schwer, bestand fast zur Hälfte aus Sprengstoff. 600 Kilometer schnell, sollte die "Vergeltungswaffe", so die Bezeichnung von NS-Propagandaminister Joseph Göbbels, eine Erwiderung auf die Luftangriffe der Alliierten sein. Johannes Leicht vom Deutschen Historischen Museum in Berlin zufolge blieben die militärischen Erfolge der Flugbombe gering: Nur 25 Prozent erreichten überhaupt ihr Ziel.

Die Nationalsozialisten verbreiteten dagegen, dass es der deutschen Wehrmacht mit den Vergeltungswaffen V1 und dem Nachfolger V2 gelingen könnte, die sich abzeichnende Kriegs-Niederlage noch abzuwenden.

Den V 1-Absturz, der damals geheimgehalten und als ein Angriff der alliierten Kräfte deklariert wurde, hat Gertrud Terstappen niemals vergessen: Er hat sie laut späteren Schilderungen ein ganzes Leben lang mit "grauenhaften Bildern" verfolgt, wann immer sie daran erinnert wurde.

Beigesetzt wird Gertrud Terstappen am morgigen Freitag im Familiengrab auf dem Lobbericher Friedhof. Das Grab hatte ihr damals umgekommener und gerade pensionierter Großvater Josef Caelers als Friedhofsgärtner schon gepflegt.

(mme)
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