Nettetal Wann gab es denn die "Süße Ecke"?

Nettetal · Der Heimatverein Stammtischrunde unterhielt sich bei seiner jüngsten Zusammenkunft über die Häuser und deren Bewohner auf der Marktstraße, einer der ältesten Straßen Lobberichs.

Jahrhundertelang führte der Weg zur Kirche über die Marktstraße. Von den Kirchgängern lebten auch einige Nachbarn der inzwischen Alten Kirche recht gut, denn auf ihr befanden sich Gaststätten und Dröppkeswirtschaften, in denen sonntags nach dem Gottesdienst "enne Äffe Jries" getrunken wurde. So ist es in alten Schriften des Heimatvereins Stammtischrunde überliefert. Nun befassten sich die Mitglieder anhand von Fotos und alten Postkarten, die Rundenleiter Ralf Schmeink gesammelt hatte, mit der neueren Marktstraße und der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg, als an der Straße immerhin noch drei Bauernhöfe lagen, deren Wiesen sich bis zur Jahnstraße (heute Steegerstraße) erstreckten, sozusagen heute das Terrain des Doerkesplatzes bilden.

Wie war das noch mit der "Süßen Ecke"? Fast alle wussten, dass damit ein kleines Ladenlokal im Hause Marktstraße 1 gemeint war, in dem es Klümpchen noch lose auf die Hand oder in kleinen Tütchen gab. Maria Dell und Walter Koenings führten die "Süße Ecke", wie sie 1951 im Festbuch zum 90-jährigen Bestehen des TV Lobberich annoncierten. Wenig später verkaufte Gartz Ännchen dort die Brocken, bis sie Ende der 1950er-Jahre die Gaststätte in Schlibeck übernahm (gibt es heute nicht mehr) und dann im Ruhestand zur Keramikkünstlerin Antje Gartz in Bocholt wurde.

Aus der "Süßen Ecke" wurde anschließend eine Papierecke mit Zeitschriften und Buchhandlung (Theo Peters und Käthe Linnekuhl). Dann zog dort Ende 1970 das neue Ausstattungshaus Hespers (mit Lederwarenboutique) ein, das fast acht Jahrzehnte im Hause Hochstraße 50 bestanden hatte; es wurde für Supermärkte umgebaut, zuletzt war dort Ihr Platz. Mit dem Einzug von Hespers verschwand auch die Hausnummer Marktstraße 3, denn die bis dahin bestehende Geschäftsstelle der Barmer Ersatzkasse (vorher Kaffeehandlung Groote und Sohn) wurde beim Umbau in das neue Ladenlokal integriert.

Erbaut wurde das dreigeschossige Eckhaus 1883 von der Witwe Martin Troekes, die dort Wohnung und Schuhhandel mit -reparaturen zusammenlegt, die bisher auf der Süchtelner und Hochstraße bestanden. Das Schuhgeschäft hat viele Jahrzehnte bestanden, eine Klavierlehrerin Maria Troekes wohnte noch in den 1960er-Jahren in dem Haus. Nach Hespers nutzte Karl-Albert van den Eynden die Räume von 1987 bis 2007 für einen Schuhdiscount — neben seinem Schuhgeschäft ein Haus weiter in der Marktstraße 5. Fünf Jahre lang verkaufte dann der Telefonanbieter Vodafone seine Geräte, heute sucht Eigentümer Karl Funcke einen Mieter. Kuriosität: Der Eingang zu den Wohnungen in den Obergeschossen an der Seite neben dem Geschenkhaus Pickers-Müllers (Hochstraße 32) trägt die Bezeichnung "Markstraße 1"

Im Laufe der letzten 100 Jahre sind fast alle Häuser auf der Markstraße (so heißt sie seit der Neugliederung 1970) baulich verändert oder abgebrochen und neu errichtet worden. Schmuckvoll gestaltete alte Fassaden sieht man nur noch an den Häusern 11 (hier wohnte einst der Lehrer und Chorleiter Eduard Istas), 13 (Buchhandlung Matussek), 21 (Tapetenhaus Heithausen/Peters) und 12 (Paßmann, Kaiser's Kaffee, Gaststätte), das gegenwärtig renoviert wird. Gut erhalten ist auch noch das ehemalige Bauernhaus Thodam (15) mit geschwungener Fassade und alten Holzläden an den Fenstern. Das Haus Kother/Winz hat eine neue Fassade bekommen. In etwa noch ihr früheres Aussehen haben auch die Wohnhäuser in der Südostecke neben dem alten Rathaus, das ebenfalls noch in den ursprünglichen Mauern steht. Bemerkenswert viele Häuser im unteren Teil hatten auch früher schon Putzfassaden.

Der gravierendste Eingriff geschah im Rahmen der Ortskernsanierung ab 1970 mit der Zufahrt zum neuen Doerkes(park)platz, dem Gaststätte und Bauernhof Dohmes zum Opfer. Dafür enstand mit den Häusern Breidenbroich und de Jong ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Ebenfalls verschwunden sind die Gaststätte Straeten mit dem Capitol-Theater, hier steht heute die Commerzbank. Die Bauernhöfe Hennen gibt es nicht mehr, auch das alte Ebberts-Haus wich einem Neubau (Nicus). Ebenso wurden am Beginn der Marktstraße die Häuser 2 und 4, ehemals "Gut am blauen Stein", mit der Hochstraße 28 zu einem neuen Geschäfts- und Wohnhaus zusammengefasst. Hier soll in früheren Zeiten auch mal eine "Süße Ecke" gewesen sein, als gegenüber Schuhe verkauft wurden.

FRAGE DES TAGES

(mme)
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