Nettetal Werden Förderkinder ausgegrenzt?
Nettetal · Die Nettetaler CDU will Rückzugsräume für Schüler mit hohem Förderbedarf einrichten lassen. Diese Räume sollen nicht an der Schule sein, die die Kinder besuchen. Der Schulausschuss diskutierte kontrovers über diesen Antrag.
Alle waren dafür, und doch waren sie sich nicht einig: Wie Inklusion in Nettetaler Schulen gelingen kann, darüber diskutierten die Mitglieder des Ausschusses für Schule und Sport am Dienstagabend im Rathaus. Knackpunkt dabei: Die CDU hatte die Schaffung von Rückzugsräumen für so genannte auffällige Kinder beantragt. Nicht nur einige Fachleute aus den Schulen sahen das kritisch.
"Hier werden wieder Kinder ausgegrenzt!", warnte Karin Banck (SPD) und begründete so die Bedenken ihrer Fraktion zum Antrag. Der sah vor, dass es "für Kinder und Jugendliche mit besonders komplexen Verhaltensschwierigkeiten" in einer Klasse oder Stufe einen "Time-out-Ort" geben solle. Vereinfacht gesagt: Verhaltensauffällige Schüler, die den Unterrichtsablauf über die Maßen gefährden, sollen zeitweise in einem anderen Raum betreut werden. Und dieser Raum soll nicht an derselben Schule sein.
Die CDU wolle so die Förderung der anderen inkludierten Kinder gewährleisten, begründete Jürgen Boyxen den Vorstoß. Um eine "Förderschule light" gehe es nicht. Genau dieser Eindruck indes war entstanden, wie Nicole Appenrodt bestätigte. Die Pädagogin war an der Comeniusschule tätig, bis diese an den Kreis Viersen übertragen wurde. Die Förderschule habe genau solche Rückzugsmöglichkeiten geboten; im Zuge der Inklusion wurde diese Schulform quasi aufgelöst: "Dieser Raum ist uns entzogen worden", bedauerte Appenrodt. Nun aber werde für Schüler wieder genau solch ein Schonraum gefordert, wie ihn die Comeniusschule habe bieten können. In der Praxis sah das laut Appenrodt so aus: In enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den anderen Schulen und den Eltern wurden Kinder etwa mit großen emotionalen oder sozialen Beeinträchtigungen vorübergehend in der Förderschule betreut - mit dem Ziel, sie wieder in ihrer Schule eingliedern zu können. Appenrodt: "Wir hatten eine hohe Rückführungsquote zur Stammschule." Solche Rückzugsmöglichkeiten sollen jetzt offensichtlich wieder geschaffen werden, deutete Nettetals Schuldezernent Armin Schönfelder an. Voraussichtlich drei "Unterstützungszentren" könnten im Kreis Viersen eingerichtet werden. Der CDU-Bildungsexperte Hans-Ulrich Baumgarten habe in Abstimmung mit der Verwaltung und dem Unterausschuss Inklusion ein Konzept erarbeitet, das man nun mit dem Schulrat beraten werde. Kommt es zur Schaffung der Schonräume, müssten betroffene Kinder aus Nettetal möglicherweise zu einem anderen Standort fahren. Dem Vernehmen nach könnten etwa 20 Nettetaler Schüler dafür infrage kommen.
Befürwortet wurde die Idee von Hartmut Esser vom Werner-Jaeger-Gymnasium: "Bei aller Unterstützung der Inklusion muss man auch die Realität sehen", sagte er, man habe einfach kein Personal, sich um besonders beeinträchtigte Schüler fachgerecht zu kümmern. Ähnlich sah das Julia Kaizik von der Gemeinschaftshauptschule Kaldenkirchen: "Auch Regelkinder haben ein Anrecht auf Beschulung, nicht nur Förderkinder." Dagegen stellte Angelika Eller-Hofmann von der Gesamtschule klar, dass gerade Schüler mit emotionalem und sozialem Förderbedarf die "Vernetzung in ihrer Gemeinschaft" bräuchten.
Der Nettetaler Schulausschuss will nun die Beratungen von Verwaltung, Baumgarten und Schulamt abwarten. Ob der Ausschuss danach noch Einflussmöglichkeiten hat, ist ungewiss: Die Tendenz scheint dahin zu gehen, dass der Kreis Viersen im Sinne des CDU-Antrags drei "Unterstützungszentren" einrichten könnte.