Nettetal Wie Datenschutz das Unkraut schützt

Nettetal · Marion Müllers aus Breyell ärgert sich, wenn sie auf das verwilderte Grundstück blickt, das an ihren Garten grenzt. Sie will mit dem Eigentümer sprechen. Die Suche gerät zu einer langen Reise durch Bürokratien.

 Marion Müller an ihrem Gartenzaun. Vom Nachbargrundstück wuchern diverse Pflanzen auf ihr Grundstück.

Marion Müller an ihrem Gartenzaun. Vom Nachbargrundstück wuchern diverse Pflanzen auf ihr Grundstück.

Foto: F.H. Busch

Eigentlich wirkt die Fläche zwischen den Häusern 8a und 9 an der Straße Berg wie eine Idylle im Mühlenbachtal: vorn zur Hälfte kurz gehaltene Wiese, dann nach hinten Buschwerk, immer höher werdend. An der linken Seite ist entlang des Zauns eine breite Schneise bis hinten geschlagen, doch an der rechten Seite wuchert es über den Zaun - den Nachbarn scheint es nicht zu stören. Im Buschwerk zwitschern die Vögel, auf der Wiese hoppeln die Kaninchen. Fast Natur pur.

Davon allerdings ist Marion Müllers gar nicht begeistert. Sie wohnt seit dem Jahr 1999 an der Johann-Peters-Straße. Und ihr terrassenartig angelegter Garten grenzt zu einem Teil an dieses Grundstück, von dem aus das Sträuchergeäst herüber ragt. Am Boden breiten sich Brennnesseln und andere "Wildkräuter" aus. Viele Jahre hat sie diese immer wieder entfernt, "doch inzwischen schaffe ich das körperlich nicht mehr und die Beschäftigung eines Gärtners geht ins Geld", sagt Mülllers. Deshalb wollte sie den Eigentümer bitten, für Ordnung zu sorgen. Gar nicht so einfach, denn: Wem das Grundstück gehört, weiß in der Nachbarschaft niemand.

Mit dem Bebauungsplan "Berg-Nord" im April 1994 richtete der Rat zwischen den Grundstücken Berg und Johann-Peters-Straße eine Zone zum "Schutz der Natur und Landschaft" ein. Sie ist an manchen Stellen bis zu sechs Meter breit. Dort sollten heimische Laubsträucher wie Haselnuss, Holunder, Schlehe als "frei wachsende Hecke" gesetzt werden. Allerdings: Wie eine Hecke auszusehen hat, interpretieren die Anwohner durchaus unterschiedlich.

Müllers wandte sich bei ihrer Suche an die Nettetaler Stadtverwaltung. "Keine Auskunft möglich, Datenschutz", lautete Anfang des Jahres die Antwort beim Bürgerservice. Dort erhielt Müllers den Hinweis, es bei der Grundbuchstelle des Amtsgerichts zu versuchen. Auch dort kam der Verweis auf den Datenschutz. Ergänzt um den Tipp, zum Katasteramt bei der Kreisverwaltung in Viersen zu fahren. Müllers fuhr nicht, sondern telefonierte und erfuhr von einem "sehr freundlichen Herrn", dass das Grundstück auf den Namen einer Frau eingetragen sei, nur: "Wir haben keine Adresse oder Telefonnummer."

Mit dem Namen wurde die Breyellerin erneut beim Bürgerservice der Stadt vorstellig, wieder hörte sie: "Datenschutz". Doch es gab einen Hinweis: "Gehen Sie mal zum Steueramt in der zweiten Etage." Die Antwort dort: "Datenschutz". Da war es Marion Müllers zuviel: Sie schrieb einen Brief an Bürgermeister Christian Wagner (CDU). Dessen Mitarbeiter hätten laut Müllers immer wieder mit den Achseln gezuckt ud gesagt: ,"Wir können nichts machen." Denn von dem "total verwilderten Grundstück" gehe keine Gefahr für die Öffentlichkeit aus.

Hätte sich auf dem Gelände ein Rattennest entwickelt, dann sähe alles anders aus: Dann hätte die Ordnungsbehörde beim Steueramt nachfragen können, wer Grundsteuer für diese "Naturidylle" zahlt und den Eigentümer anhalten können, für ordentliche Verhältnisse zu sorgen. "Ansonsten darf das Steueramt nach Paragraf 30 der Abgabenordnung keine Auskunft geben", erläutert Roswitha Karallus, die Leiterin des Bürgermeisterbüros. Erneut ihr Tipp: auf zum Amtsgericht. Dort habe es wahrscheinlich eine Panne gegeben, als nicht eingehend das "berechtigte Interesse" geprüft wurde. Dieses berechtigte Interesse wollte Marion Müllers geltend machen, als sie dort zur Dokumentation als Anspruchsberechtigte mit einem Grundbuchauszug für ihr eigenes Grundstück auftauchte.

Nach einer ersten Prüfung des Sachverhalts sieht die Amtsgerichtsdirektorin Dagmar Emmrich-Ipers heute das "berechtigte Interesse" als begründet an. Sie macht aber auch darauf aufmerksam, dass sich dieses nur auf die Anschrift bezieht. Und gibt zu bedenken: "Ob die Anschrift stimmt, das können wir nicht garantieren, da uns Veränderungen nicht immer mitgeteilt werden." Stimmt die Anschrift nicht, dann kann Marion Müllers beim Meldeamt der in der Adresse genannten Stadt nachfragen, wohin die Gesuchte umgezogen ist.

Marion Müllers muss weiter suchen. Und sie wird sich weiter ärgern, wenn sie auf das ungepflegte Areal blickt, das an einen Teil ihres Grundstücks grenzt. Bisher hat sie erfahren müssen: Die Datenschutzwand zu durchdringen ist viel schwieriger, als eine Schneise durch das Gestrüpp zu schlagen.

(mme)
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