Nettetal Wohnen in der Villa des Textilbarons

Nettetal · Fünf der sieben Wohnungen im Haus Hochstraße 70 sind schon vermietet. Es war über Jahrzehnte "das Notariat" in Lobberich

 In der alten Upwich-Villa entstehen derzeit sieben Wohnungen. Fünf sind bereits vermietet.

In der alten Upwich-Villa entstehen derzeit sieben Wohnungen. Fünf sind bereits vermietet.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Was sich in den vergangenen Jahren in dem stattlichen Haus hinter der Mauer - nur im Eingangbereich halbwegs durch einen Gitterzaun unterbrochen - tat, blieb meist verborgen. Nach außen hin passierte sichtbar nicht viel. Vor vier Jahren hieß es, es würden dort Wohnungen eingerichtet, doch sah das Gelände hinter der Mauer meist nach verwaister Baustelle aus.

Nettetal: Wohnen in der Villa des Textilbarons
Foto: Kreisarchiv Viersen

Nun aber ist der südliche Hof-/Gartenbereich neu gepflastert, ist Platz für 15 Fahrzeuge entstanden (einschließlich zweier Garagen), sind die ersten Mieter in die Nebengebäude eingezogen. "Wir müssen nur noch einige Restarbeiten erledigen", sagt Mark Tachalov sichtlich erleichtert, der das Haus 2006 über seine "Mark Immobilien GmbH" erstand.

Erbaut wurde die Villa von Hermann van der Upwich, der 1850 beim Samthersteller J. L. de Ball als Lehrling begann und später einer der Fabrikbesitzer wurde. Der Geheime Kommerzienrat war viele Jahre auch Beigeordneter der Gemeinde Lobberich und leitete während des Ersten Weltkrieges fast zwei Jahre lang die Gemeindeverwaltung, als es keinen hauptamtlichen Bürgermeister gab. Als Baujahr wird 1883/84 angegeben, doch könnte es auch schon Ende der 1870er Jahre gebaut worden sein, denn es ist auf einem Ortsplan aus dem Jahr 1880 eingezeichnet.

Nach dem Tod von Hermann van der Upwich im Jahr 1922 wohnte dort noch einige Jahre sein Sohn Hans, dann zog die Familie Stragier dort ein und unterhielt bis Ende 1933 einen Schuhgroßhandel. Das Haus ging 1934 in den Besitz von Dr. Josef Veith über, der seit Mitte 1931 als Nachfolger von Dr. Christian Brink als Notar in dessen ehemaligen Amtsräumen an der Steegstraße tätig war. Heute ist dort die Agentur für Arbeit untergebracht.

Nach Veiths Pensionierung 1968 nutzte sein Nachfolger Guido Steegmann noch ein Jahrzehnt die Kanzleiräume, ehe sie für Dr. Günther Carl (bis 1985) und Dr. Klaus Kriwett (bis 1994) als Arztpraxis dienten. Die Volksbank nutzte die Räume später als Ausweichquartier, als sie an der Ecke Niedieck-/Wevelinghover Straße neu baute.

1989 wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt. "Entgegen den in dieser Zeit mit aufwändig gegliederten Putzfassaden versehenen innerstädtischen Wohnhäusern zeigt das klassizistische Gebäude mit klaren und einfachen Maßbezeichnungen seiner Fassade eine in sich ruhende harmonische Gestaltung", heißt es in der Begründung. Deshalb auch wurde das Haus nur von innen her "energetisch ertüchtigt", doch fällt der Verlust an Wohnraum nicht ins Gewicht.

Erhalten blieben die Stuckfriese an den Decken, Parkettböden, viele Holztüren, die mit einer Kurbel zu bewegende Holzrollade zum Wintergarten und die alte Holztreppe ins erste Stockwerk. Geschlossen wurde der Flur, so dass im Haupthaus zwei Wohnungen entstanden; die im Obergeschoss ist allerdings nur noch durch einen Seiteneingang zu erreichen, der die Adresse "Steegerstraße 2" erhielt.

Die weiteren Wohnungen im östlichen Anbau wurden mit den Hausnummern vier und sechs versehen - zu erreichen sind sie durch ein separates Tor in der Mauer. Eine Wohnung im südlichen Anbau über den Garagen ("Früher war das ein Vogelschlag") erhielt die Nr. 70b der Hochstraße, die 70a gehört zu einer Maisonette-Wohnung, die sich über zwei Geschosse erstreckt.

Ursprünglich waren die recht luxuriös ausgestatteten Wohnungen mit Front zur Hochstraße für seine Mutter gedacht, erwähnt Tachalov eher beiläufig, aber sie werde wohl in Venlo bleiben. Dort betreibt die aus Tadschikistan stammende Paramedizinerin Sofi Tachalova eine Praxis, über die in der deutschen Boulevardpresse immer wieder berichtet wird. Sie gilt als eine der bekanntesten Geistheilerinnen der Welt und präsentiert sich im Internet gleich auch in englischer, russischer und hebräischer Sprache.

Denn dort hat sie mit ihrer Familie einige Jahre gelebt, ehe sie nach Deutschland kam und schließlich in die Niederlande zog. Sohn Mark verschlug es dann vor knapp zwei Jahrzehnten nach Hinsbeck, weil seine Kinder eine deutsche Schule besuchen sollten. Er ist ein vielseitiger Unternehmer: Er ist im Filmgeschäft aktiv, vermittelt Immobilien und besitzt in Düsseldorf eine Druckerei. "Vielleicht", sagt er vieldeutig, "kommt meine Mutter doch noch nach Lobberich."

(mme)
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