Neukirchen-Vluyn Kirchendinner: Tischreden und ein Vier-Gänge-Menü im Stil von Luther

Neukirchen-Vluyn · Der Luther-Kenner Jörg Zimmer lud zu einer ungewöhnlichen Veranstaltung im Geist des Reformators in die Dorfkirche Neukirchen ein.

Im Rahmen der Reihe "Kirchendinner" war Jörg Zimmer zu Gast in der Dorfkirche. "Luthers Tischreden" waren das Thema des Abends, zu dem der Förderverein der Stadtbücherei und die Evangelische Kirchengemeinde eingeladen hatten. Passend dazu waren mitten im Kirchraum zwei lange Tischreihen aufgebaut worden, an den rund 60 Gäste Platz nahmen. Im Lutherjahr durfte auch einmal wie zu Zeiten des großen Reformators gespeist werden.

Das Vier-Gänge-Menü wurde nach "Original-Lutherrezepten" gekocht. Wissenschaftler hatten nämlich nach Ausgrabungen am Lutherhaus in Eisleben aus Abfallspuren und Resten von Küchengeräten die Rezepte rekonstruiert. Die Bewirtung in der Dorfkirche übernahmen die "Kochspezis", eine 14-köpfige private Männerkochgruppe, die viel Lob für ihre mittelalterlichen Kochkünste erntete.

Nach "farbigem Rührei mit Mandelbrot" gab es eine "Rübchensuppe mit Räucherfisch". Als Hauptgang wurde Kalbfleisch mit Petersilienwurzel, Weinsauerkraut, Apfel-Zwiebel-Geschab und Roggenbrot serviert. Den Abschluss bildete ein Weintraubenmus. Zwischen den Gängen stieg Jörg Zimmer auf die Kanzel und hielt eine Mischung aus informativem Vortrag und Lesung, getreu dem Bibelwort nach der Lutherübersetzung: "Wes das Herz voll ist, dem geht der Mund über." Denn Zimmer, der im Hauptberuf Pressesprecher der Sparkasse ist, ist ein Luther-Experte: Bereits vor 25 Jahren schrieb er seine Magisterarbeit im Fach Germanistik über Luthers Tischreden, die in sechs Bänden erschienen und von eins bis 7075 durchnummeriert sind.

Zimmer erläuterte, dass Luther seine Tischreden nicht veröffentlicht sehen wollte, sie wurden von verschiedenen Schreibern in seinen letzten 15 Lebensjahren mitgeschrieben und 20 Jahre nach seinem Tod erstmals veröffentlicht. Deshalb wird über die Tischreden gesagt, dass einem der Reformator in keinem anderen Werk lebensnäher entgegentritt. Die Fragen seiner Freunde und Studenten beantwortete er wortgewandt und oft polemisch. In seinem Kampf gegen das Papsttum stellte Luther immer wieder die Bedeutung des biblischen Wortes in den Mittelpunkt und bemühte sich um eine klare, verständliche Sprache. "Mit dem Wort bin ich all meinen Feinden überlegen", soll er gesagt haben.

Zimmer zitierte den Reformator mit viel Enthusiasmus und gab auch einige deftige Sprüche und anschauliche Fabeln zum Besten. Eine Herausforderung für das Publikum war es dennoch, sich so lange auf die alte Sprache zu konzentrieren, zumal einiges im Hall der Kirche verloren ging. Da war es gut, wenn der nächste Gang Gelegenheit zum zwanglosen Gespräch bei einem Gläschen Wein gab und man dabei dem Geiste Luthers dennoch ganz nah war, der gesagt hat: "Unser Herrgott gönnet uns wohl, dass wir essen, trinken und fröhlich seien."

(rauh)
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