Neukirchen-Vluyn Leben retten kann so einfach sein

Neukirchen-Vluyn · Schüler, Eltern und Lehrer des Julius-Stursberg-Gymnasiums konnten sich gestern bei der Deutschen Knochenmark-Spenderdatei (DKMS) registrieren lassen. Ein ehemals Leukämiekranker und sein Spender erzählten ihre Geschichte.

 Julian Reich nimmt mit dem Wattestäbchen eine Probe von seiner Mundschleimhaut, Lea Piepers erfasst derweil seine persönlichen Daten.

Julian Reich nimmt mit dem Wattestäbchen eine Probe von seiner Mundschleimhaut, Lea Piepers erfasst derweil seine persönlichen Daten.

Foto: Koopmann

In der Aula des Julius-Stursberg-Gymnasiums wird es still. Die Blicke der 240 Oberstufenschüler sind auf Hans-Peter Hambach (62) und Mario Schäfer (53) gerichtet. Nikolai Rossier von der Deutschen Knochenmark-Spenderdatei (DKMS) hat gerade seinen Vortrag über Blutkrebs beendet und gibt das Mikrofon nun an Hambach weiter. Der räuspert sich, fängt dann an, seine Geschichte zu erzählen. Es ist eine Geschichte, die tragisch beginnt, mit seiner Leukämie-Diagnose vor zehn Jahren.

Hambach, ein schlanker, trainierter Kampfsportler, fühlte sich im April 2007 auf einmal schlapp und müde. Beim Treppensteigen ging ihm die Puste aus. Es sei wie eine Erkältung gewesen, erzählt er. Aber es wurde nicht besser. Sein Hausarzt wies ihn auf direktem Wege in eine Duisburger Klinik ein. Dort erhielt Hambach die Diagnose: Leukämie.

Zahlreiche Chemotherapien folgten. Hambach verbrachte viele Tage in Krankenhäusern, erst in Duisburg, dann in Essen. "Schließlich sagte man mir, dass ich ohne einen Stammzellenspender nicht überleben würde", erzählt er. Sein Blick ruht nun auf dem Mann neben ihm: Mario Schäfer. "Am 9. Oktober kam dann die Nachricht: Ein Spender wurde gefunden. Damit war das Hoffen und Bangen aber noch nicht vorbei, denn Mario war im Urlaub. Er wusste also noch gar nicht, dass er mir das Leben retten kann."

Mario Schäfer nickt. "Ich habe mich bereits 1991 bei der DKMS registrieren lassen. Mein bester Freund und meine kleine Cousine sind an Leukämie gestorben, bevor es die DKMS gab. Solche Schicksalsschläge wollte ich anderen ersparen", erzählt er. Im Oktober 2007 fuhr der Bergisch-Gladbacher nach Frankfurt. Dort bekam er ein körpereigenes Wachstumshormon gespritzt, das die Stammzellenbildung anregt. "Dem Körper wird eine Krankheit vorgegaukelt. Ich hatte drei Tage lang leichte Grippesymptome, dann wurden mir die Stammzellen entnommen", sagt Schäfer. "Es ist nicht angenehm gewesen, aber es war ein Klacks im Gegensatz zu dem, was Peter durchstehen musste." Ein Klacks, der Hambach das Leben rettete. "Es war so ein Glück. Hätte Mario im letzten Moment einen Rückzieher gemacht, hätte man nichts mehr für mich tun können. Ein Schnupfen - und ich wäre weg gewesen", sagt Hans-Peter Hambach.

Hambach und Schäfer durften laut Gesetz erst nach zwei Jahren persönlichen Kontakt haben. Zuvor schrieben die beiden sich regelmäßig, aber anonym über die DKMS. Nur Alter, Geschlecht und Herkunft waren vom jeweils anderen bekannt. Hambach, der seine zukünftige Ehefrau 2007 kennengelernt hatte, wollte im Sommer 2009 heiraten. Schäfer sollte sein Trauzeuge sein. Das Problem: Erst im Oktober lief die Zwei-Jahres-Frist ab. "Hier machte das DKMS glücklicherweise eine Ausnahme", sagt Hambach lächelnd. "Mario war mein Trauzeuge und wurde später auch der Patenonkel meiner Zwillinge."

Einen Moment ist es still, dann erklingt tosender Applaus. Die Schüler zeigen sich beeindruckt und berührt. Inken Senftleben (17), die die elfte Klasse besucht, ist fest entschlossen zu helfen: "Es gibt so viele Schicksale, gegen die man nichts machen kann. Aber hier kann ich etwas tun." Und so lässt sie, wie die Mehrheit der Schüler, einen Wangenabstrich machen - um Mitglied der Spenderdatei zu werden und um Leben zu retten.

(jma)
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