Neukirchen-Vluyn Postkartenaktion stellt Landwirt an Pranger

Neukirchen-Vluyn · Viele Neukirchen-Vluyner haben in ihren Briefkästen eine Postkarte gefunden, die einem örtlichen Bauer vorwirft, er halte seine Tiere nicht artgerecht. Die Aktion sorgt für Empörung unter der Bauernschaft. Wer dahinter steckt, ist unklar.

 Diese Fotos finden sich auf der Vorderseite der Karte.

Diese Fotos finden sich auf der Vorderseite der Karte.

Foto: rei

Auf einer Seite sind Fotos von Kühen zu sehen, die fröhlich auf der Weide springen, auf der anderen Seite ein Text, der an einen Landwirt aus Neukirchen-Vluyn appelliert, er solle seine Kühe öfter ins Freie lassen. Name und Adresse des Bauern stehen groß im Adressenfeld. Diese Postwurfsendung der ungewöhnlichen Art haben viele Bürger in den vergangenen Tagen in ihren Briefkästen gefunden. Offensichtlich sollen sie animiert werden, dem Landwirt die Karte als Zeichen des Protestes zuzusenden.

 Mit diesem Text ohne Unterschrift wird an den Landwirt appelliert.

Mit diesem Text ohne Unterschrift wird an den Landwirt appelliert.

Foto: Uwe Reimann

Die betroffene Familie erklärte unserer Zeitung, sie wolle sich nicht öffentlich äußern. Dafür herrscht unter den Kollegen bereits große Aufregung. "Das ist niedrigste Hetzjagd", empört sich der Neukirchen-Vluyner Milchbauer Johannes Leuchtenberg. Auch Ortslandwirt Dietmar Keesen hält die Aktion für "ein Unding".

Er habe die Karte selber gesehen, ein Familienmitglied habe sie im Briefkasten gefunden. Warum es gerade diesen besonderen Kollegen getroffen habe, könne er nicht sagen. Die Hofbetreiber seien bekannt für ihre Offenheit, es fänden zum Beispiel regelmäßig Hof-Führungen statt, auch für Schulklassen. "Es ist total ungerecht, es trifft den Falschen." Warum gerade dieser bestimmte Hof ins Visier geraten sei, könne daran liegen, dass er nicht weit außerhalb, sondern stadtnah "quasi auf dem Präsentierteller" liege, mutmaßt Ortslandwirt Keesen.

Auch Gerrit Korte, Geschäftsführer der Kreisbauernschaft, kann die Kampagne nicht nachvollziehen. "Von der Karte habe ich am Freitag erfahren", berichtet er. "So etwas erlebe ich zum ersten Mal." Er ist überzeugt: "Wir haben nichts zu verstecken."

Der einzige kleine Hinweis, der auf den Urheber der Karte hindeuten könnte, ist die Internetadresse www.sagneinzumilch.de, die sich kleingedruckt neben dem Text findet. Auf dieser Seite wird die Haltung von Milchkühen kritisiert und auf vegane Alternativen zur Milch verwiesen. Im Impressum findet sich der Verein "Animal Rights Watch". Bekannt wurden die Aktivisten unter anderem durch verdeckt gedrehte Filme, die Missstände in der Tierhaltung aufdecken sollen.

Sandra Franz, Sprecherin des Tierschutzvereins, hat mit den Betreibern der Internetseite Rücksprache gehalten. "Mit dieser Aktion haben wir nichts zu tun", versichert sie. Es gebe im Kreis Wesel auch keine Ortsgruppe. Generell sei es nicht die Art von "Animal Rights Watch", einzelne Landwirte auf diese Weise an den Pranger zu stellen.

Für Johannes Leuchtenberg ist der Vorfall ein Symptom für eine verbreitete Stimmung gegen Viehhaltung und Landwirtschaft. Manche Bauern versuchen daher, ihre Stallungen für interessierte Besucher, gerade auch für Schüler, zu öffnen, um zu zeigen, dass die Zustände in Ordnung sind. "Von einem Kollegen aus einer anderen Stadt habe ich allerdings gehört, dass manche Lehrer kritisch gegen solche Führungen eingestellt sind." So weit seien die Vorbehalte gegen Landwirte schon verbreitet. Die Postkarten-Aktion erfüllt ihn mit großer Sorge: "Vielleicht trifft es uns ja als Nächstes."

(s-g)
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