Neukirchen-Vluyn Senioren ziehen eine Lebensbilanz

Neukirchen-Vluyn · "Mein Bild von mir": Im Neukirchener Willy-Könen-Haus haben Bewohner an einem Fotoprojekt teilgenommen und über sich und ihr Leben nachgedacht. Eine bewegende kleine Ausstellung ist entstanden.

 Die Fotos zeigen Gesichter, die das Leben gezeichnet hat. Gestern wurde die Ausstellung in dem Seniorenzentrum eröffnet.

Die Fotos zeigen Gesichter, die das Leben gezeichnet hat. Gestern wurde die Ausstellung in dem Seniorenzentrum eröffnet.

Foto: Christoph Reichwein

Eine kleine, aber feine Fotoausstellung schmückt den Gang des Willy-Könen-Hauses im Ortsteil Neukirchen. Die Porträtaufnahmen von Männern und Frauen, die im Seniorenzentrum am Fürmannsheck wohnen, erzählen von ihrem Leben. "Wir wollten mit den Fotos diese Menschen in den Fokus rücken", sagt Gerhard Schrader vom Sozialen Dienst. Mit der Kamera hat er sie porträtiert und die Spuren, die das Leben in ihrem Gesicht hinterlassen hat, deutlich gemacht.

"Mein Bild von mir", so der Projektname ist zugleich auch eine Art Lebensbilanz. Von der Decke baumeln kleine Plakate mit entsprechend markigen Sätzen. Selbsteinschätzung, Würdigung, Lebensmotto und zugleich Lebensfazit. "Ich musste immer stark sein für meine Familie", so das Zitat von Erwin Kronberg, einem Projektteilnehmer. Ruth Olwig sagt von sich: "Ich nehme immer den direkten Weg." Ingrid Meichsner, deren Porträt auch das Begleitheft zur Ausstellung ziert, sagt über sich: "Stets akzeptieren, was das Schicksal auch bereit hält." Das Lebensmotto von Elke Fischer lautet: "Leben und leben lassen."

Drei Monate dauerte das Projekt, das an das Memorybuch zu Vorlieben der Bewohner anknüpft. "Wir haben für die Arbeit ein einfaches Fotostudio eingerichtet, so wie es früher üblich war", erzählt Gerhard Schrader über das Projekt. Frisiert und leicht geschminkt nahmen die Bewohner am Fotoshooting teil, maximal drei Personen pro Tag waren im Studio. Im Anschluss wurden sofort die Fotos ausgesucht, mit denen sich die Porträtierten am wohlsten fühlten. "Das ausgewählte Foto ist das Endprodukt eines Prozesses. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht", so Schrader. Zugleich ergab sich die Möglichkeit, bei der Betrachtung des eigenen Bildes von Erlebnissen aus dem Leben zu berichten. Das Projekt war ein Brückenschlag zur Vergangenheit und zugleich ein sogenannter Türöffner dieses Schatzkästchens. "Hat Spaß gemacht. Und warum denn nicht?", sagt Ingrid Meichsner (88) über das Projekt. Seit einem Jahr lebt die gebürtiger Schlesierin im Seniorenzentrum und hat dafür ihr Leben in Zwickau, Mittelpunkt nach Flucht und Vertreibung, aufgegeben. "Meine Tochter lebt in Kapellen", sagt sie.

Für Einrichtungsleiterin Martina Giesen und Marion Alosery vom Sozialen Dienst ein überaus spannendes Projekt, für das sich 20 Hausbewohner entschieden haben. Lob gab es ebenfalls aus der Teilnehmerrunde, wie im Begleitheft nachzulesen ist. "Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut", hatte der große Fotograf Henri Cartier-Bresson einmal gesagt. Das passt zu den gelungenen Aufnahmen, an denen auch Besucher so schnell nicht vorbeikommen. Bewusst hat Schrader die Schwarz-Weiß-Fotografie gewählt. So gelang der emotionale Anschluss an die "gute alte Zeit" der Fotostudios der 50er und 60er-Jahre.

Derzeit leben 92 Menschen im Alter von 53 bis 98 Jahren im Willy-Könen-Seniorenzentrum.

(sabi)
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