Neukirchen-Vluyn Wo die Trommeln den Donner rufen

Neukirchen-Vluyn · Beim Trommelprojekt "Calling Thunder" dürfen 15 Jungen aus dem Kinder- und Jugenddorf mal so richtig laut sein: Erzieher Nikos Junge bringt ihnen eingängige Rhythmen auf Metall- oder Plastiktonnen bei.

 Yannick (hinten) ist einer von 15 Jungen aus dem Kinder- und Jugenddorf, die am Trommelprojekt "Calling Thunder" teilnehmen.

Yannick (hinten) ist einer von 15 Jungen aus dem Kinder- und Jugenddorf, die am Trommelprojekt "Calling Thunder" teilnehmen.

Foto: Klaus Dieker

Wie in Ekstase schlägt Yannick (18) mit den hölzernen Sticks auf die grüne Metalltonne ein. Sein Trommeln hallt laut von den Häuserwänden des Kinder- und Jugenddorfes wider. Er lässt von der Tonne ab, schlägt zweimal die Sticks zusammen, trommelt in atemberaubendem Tempo weiter. Es klingt rhythmisch, der Takt ist eingängig. Erzieher Nikos Junge nickt anerkennend. Dann bricht ein Stick auseinander. Yannick holt aus und wirft das Holz in die Feuerschale in der Mitte des Trommelkreises. Das Feuer lodert auf, Yannick lächelt.

Dass die Hölzer am Ende der Probe verbrannt werden, ist nicht üblich. Doch das Treffen der 15 Jungen mit Nikos Junge an diesem Abend ist auch kein gewöhnliches: "Ich möchte mich heute für euren Einsatz bedanken. Wir hatten im vergangenen Jahr viele gemeinsame Auftritte - im Sauerland, auf dem Jahresfest im September, ja sogar auf dem Ruhrorter Weihnachtsmarkt. Das waren echte Highlights", hatte Junge seinen Schützlingen in einer kleinen Ansprache erklärt. "Ich habe neue Sticks für euch gekauft, sechs Kisten liegen bei mir im Regal. Aber bevor wir die einweihen, müssen wir die alten quitt werden. Für jedes zerbrochene Holz erhaltet ihr einen Fastfood-Gutschein."

Und so stehen die Jugendlichen wenig später im Kreis an den bunten Tonnen und suchen sich immer wieder instabil anmutende Sticks aus. "Der hier sieht sehr abgenutzt aus", findet Timo (Name geändert). "Seid nicht so wählerisch", meint Nikos Junge. "Die müssen alle kaputt gemacht werden." Er schlägt zwei Sticks zusammen und gibt einen Takt vor. 15 Jungen und vier Betreuer trommeln ihn nach. Es duftet nach Lagerfeuer und nach der Pizza, die Dieter Rittinghaus, pädagogischer Leiter des Kinder- und Jugenddorfes, einige Meter entfernt auf der Wiese unter einer Überdachung backt. Das Trommeln steigert sich, die Jugendlichen sind konzentriert, ihre Gesichter gerötet von der Anstrengung. Nur beim Schlusstakt spielen sie nicht synchron. "Ah, lange nicht geübt, was?", ruft Nikos Junge und spielt damit auf die Pause an, die nach einem Weihnachtsmarktauftritt im Dezember begann. In den Wintermonaten ist es zu kalt, um draußen zu proben.

Drei Rhythmen und einen gelungenen Schlusstakt später machen sich einige Jungen auf den Weg zum Pizzastand. Yannick sucht sich das dritte Paar Sticks, möchte keine Pause vom Trommeln nehmen. "Ich mache das jetzt, seit ich vor zwei Jahren ins Jugenddorf gekommen bin. Ein ehemaliger Gruppenkamerad hat mich damals mitgenommen und es hat mir sofort Spaß gemacht", erzählt er. "Bis ich bei allen Rhythmen mitkam, dauerte es ungefähr einen Monat. Dann hatte ich es drauf." Stolz schwingt in seiner Stimme mit. "Das Trommeln ist aber auch super anstrengend nach einer Zeit - hinterher tun einem die Arme weh", fügt er hinzu. Einige Jungen kommen mit Pizzastücken in der Hand zurück. "Das stimmt", meint Jonas (Name geändert), der sich zu Yannick stellt. "Aber durch Calling Thunder habe ich erst die Wut in mir entdeckt. Es ist toll, seinen Frust mal so richtig rauszulassen." "Ja, nach dem Proben bin ich auch immer viel ruhiger", stimmt Louis (Name geändert) ihm zu.

"Mit Calling Thunder möchte ich den Jungen eine Möglichkeit geben, ihr Rhythmusgefühl und ihre Fitness zu verbessern. Sie sollen auch das Teamgefühl kennenlernen, das von so einer Gruppe ausgeht", erklärt Nikos Junge, der etwas abseits steht und die Jungen beobachtet. "Außerdem sollen sie einfach mal laut sein dürfen." Junge gesellt sich schnell wieder zu seinen Schützlingen. "Na dann, los geht's", ruft er und schlägt seine Sticks zusammen. Die Jungen machen es ihm nach und rufen den Donner erneut.

(jma)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort