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Neuss 20 Jahre für das Landestheater gekämpft

Neuss · Bertold Reinartz stand zwei Jahrzehnte lang an der Spitze des Trägervereins vom Rheinischen Landestheater. In einem Gespräch zieht er ein Fazit über die glücklichen und weniger glücklichen Momente seiner Amtszeit.

Wie immer erscheint er wie aus dem Ei gepellt zum vereinbarten Termin. Anzug, Krawatte, Hemd - alles ist aufeinander abgestimmt, und wenn nicht immer wieder dieses verschmitzte Lächeln über das Gesicht huschen würde, könnte man glauben, Bertold Reinartz sei eher Bürokrat als Menschenführer. Aber genau ein solcher ist er. Das hat er nicht nur Bürgermeister von Neuss bewiesen, sondern auch als Vorsitzender des Trägervereins des RLT. Nach 20 Jahren hat er das Amt nun abgegeben, wird morgen im Theater offiziell verabschiedet. An der Nachfolge hat er mitgearbeitet: Cornel Hüsch ist bereits gewählt und Reinartz höchst zufrieden. Er freut sich sichtbar auf die Zeit, in der er mehr Zeit hat, als Rechtsanwalt arbeiten zu können oder sich der Familie, vor allem den vier Enkelkindern, zu widmen.

Der Noch-70-jährige scheint in sich zu ruhen, hat sein Haus gut bestellt - auch wenn er seinem Nachfolger "zwei offene Baustellen" hinterlässt: "Die ständig defekte große Eingangstür am Theater und die immer noch offene Fördervereinbarung mit dem Land." Auf beides hatte er nur begrenzt Einfluss: Die Tür ist Sache des Vermieters Bauverein, die Fördervereinbarung muss von der Stadt bearbeitet werden.

Aber er hat den Job an der Spitze des RLT-Trägervereins auch genossen, es sonst wohl kaum 20 Jahre dort ausgehalten. Denn Geld gab es und gibt es nicht für das Amt, Ärger hingegen schon und Arbeit erst recht. "Ich habe mir damals über die Dauer keine Gedanken gemacht", sagt er lachend und erinnert sich eher amüsiert an den Versuch des damaligen Bürgermeisters Herbert Napp und Kulturdezernentin Christiane Zangs vor gut zwei Jahren, eben diese an Reinartz' Stelle zu setzen. Immerhin ist der Neusser im Vorstand ein Vertreter der Stadt, aber die Politiker haben dem Alleingang des Bürgermeisters einen Riegel vorgeschoben.

Das Verhältnis zu Zangs ist nicht erst seitdem - sagen wir mal - zurückhaltend. "Sie hat nie viel für das Theater getan", sagt Reinartz bedauernd. Schon einige Jahre vorher, 2007/08, hätte Zangs' Kulturverwaltung dem RLT gern drastische Einsparungen verpasst: Die wurden abgebogen unter anderem mit der Bildung einer Kommission, die Sparvorschläge fürs Theater untersuchte, aber keine mehr fand. Auch der Versuch von Napp, die Trägerschaft des RLT outzusourcen, wurde abgeschmettert: "Cornel Hüsch als Rechtsanwalt hat uns damals sehr geholfen", sagt Reinartz.

Nicht zuletzt Hüschs Einsatz hat in Reinartz auch die Idee reifen lassen, ihn als Nachfolger vorzuschlagen: "Es ist wichtig, dass der Vorsitzende Durchsetzungsvermögen, ein gutes Netzwerk in die Stadt hinein und einen hohen Bekanntheitsgrad unter Neusser Politikern hat."

Dass letztgenannte immer zum RLT gestanden habe - dafür zollt Reinartz ihnen großen Respekt und Dankbarkeit. Manchmal aber konnten auch die nicht helfen: etwa, als das Land unter Kulturminister Michael Vesper beschlossen hatte, den Zuschuss an die vier NRW-Landestheater um 40 Prozent zu kürzen. Sieben Prozent am Zuschuss für Neuss und Detmold - "für die Burghofbühne Dinslaken und das Landestheater Castrop-Rauxel hätte es ihr Aus bedeutet", erinnert sich Reinartz. "Doch die SPD-Städte rebellierten, die Bühnen blieben, und die Einsparung von bereits beschlossenen sieben Prozent für das RLT waren nicht mehr rückgängig zu machen." Was "eine der schwierigsten Situationen in meiner Amtszeit gelöst hat".

Drei Intendanten hat Reinartz erlebt. Burkhard Mauer führte das Theater schon, als Reinartz im Januar 1997 den Vereinsvorsitz übernahm. Zu seinen unangenehmsten Aufgaben, sagt Reinartz heute, habe es gehört, Mauer klarzumachen, "dass seine Zeit vorbei war". Die Arbeit des 1992 nach Neuss gewechselten Burkhard Mauer hält Reinartz dennoch sehr hoch. Mauer habe zwar den Neubau am liebsten auf dem ehemaligen Busbahnhof realisieren wollen, aber es auch geschafft, das jetzige Haus noch "zu drehen". Im Entwurf war das Entrée hinten geplant: "Das war für Mauer ein Unding, und er hat es geschafft, dass es zur Stadt hin versetzt wurde." 2004 legte Mauer die Intendanz nieder - und Reinartz hätte als Nachfolger lieber jemand anders als Ulrike Schanko gesehen. "Ich habe damals nicht für sie gestimmt", sagt er offen, "denn ich wollte nicht, dass es so weitergeht wie unter Mauer." Leider, so ergänzt er, hätten die "Weichmacher", die alles am liebsten beim Alten lassen wollten, das Spiel gewonnen und Mauers Chefdramaturgin Schanko zur Chefin gemacht.

Den frischen Wind, den Reinartz schon damals wollte, brachte dann 2009 Bettina Jahnke mit. "Dabei war sie nicht mal Favoritin", "sagt er unverblümt, "aber sie hat sich so mutig und ideenreich präsentiert." Ihre Wahl sieht Reinartz immer noch als Glücksfall für das RLT, künstlerisch wie menschlich.

Überhaupt kann er sich an Streitereien mit der RLT-Spitze - neben der Intendantin noch Verwaltungsdirektor Dirk Gondesen - nicht erinnern. "Wir haben kontrovers diskutiert, aber letzten Endes einvernehmlich entschieden", sagt er und meint damit nicht nur finanzielle Dinge, sondern auch künstlerische: "Wir haben auch hinter Jahnke gestanden, als sie die Absetzung des Stücks ,Noch ist Polen nicht verloren', verfügte." Auch wenn Reinartz eher für eine Generalprobe mit offener Diskussion der Aufführung plädiert hatte. "Aber Bettina Jahnke sah die Entscheidung als Teil ihrer Führungsaufgabe, und das haben wir alle akzeptiert."

(hbm)
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