Stefan Hahn "33 Flüchtlinge wurden abgeschoben"

Neuss · Der Sozialdezernent spricht über freie Plätze für Asylbewerber, über Kosten und Zuschüsse und über Abschiebungen.

 "Wir helfen dem Land NRW solidarisch!" Beigeordneter Stefan Hahn ist als Sozialdezernent auch Flüchtlingsbeauftragter der Stadt Neuss.

"Wir helfen dem Land NRW solidarisch!" Beigeordneter Stefan Hahn ist als Sozialdezernent auch Flüchtlingsbeauftragter der Stadt Neuss.

Foto: Hammer

Herr Hahn, es wirkt alles so unaufgeregt. Als Beobachter könnte man den Eindruck gewinnen, das Flüchtlingsthema sei in Neuss noch nicht richtig angekommen ...

Stefan Hahn Und ob uns das Thema erreicht hat. Seit November treffen wöchentlich 100 Flüchtlinge pro Woche ein. Nach der kleinen Weihnachtspause wird es auf diesem Niveau bis März weitergehen. Davon gehen wir zumindest aus.

In Allerheiligen wurde jetzt erstmals eine Turnhalle als Unterkunft hergerichtet. Sie bietet Platz für 300 Menschen. Wann werden dort die ersten Flüchtlinge einziehen?

Hahn Im Januar. Wir verfügen aktuell einschließlich der Turnhalle Allerheiligen noch über 382 freie Plätze. Wir hatten aber bereits zuvor mit der Schulturnhalle am Wildpark in Reuschenberg erstmals eine Entscheidung getroffen, die wir am liebsten vermeiden würden ...

Darum haben Sie jetzt auch zwei Traglufthallen bestellt. Wie schnell sind die aufgebaut?

Hahn Der Aufwand ist erheblich, denn die Hallen müssen zwei Meter tief im Boden verankert werden. Sie werden im Frühjahr bezugsfertig sein. Als Standort ist das ehemalige VfR-Gelände an der Hammer Landstraße vorgesehen. Die Kosten sind hoch: Die Miete beträgt 100.000 Euro pro Halle im Monat.

Bisher haben die Flüchtlinge den Neussern ja weniger gekostet als gedacht ...

Hahn Aber die Stadt verdient nicht an den Flüchtlingen. Wir waren völlig unerwartet finanziell im Vorteil, weil das Land NRW pauschal abrechnet hat. Aber wir haben mit unserem Angebot, eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) nach Neuss zu holen, auch dem Land solidarisch geholfen, und alle anderen Kommunen haben davon profitiert. Vielleicht hatten wir 2012 ganz einfach den richtigen Instinkt.

Sie sind also mit dem Stand der Dinge rundum zufrieden?

Hahn Die ZUE im ehemaligen St.-Alexius-Krankenhaus ist ein Glücksfall. Die räumliche Struktur der Immobilie, einschließlich der Außenanlage, ist ideal. Die zentrale Lage hilft. Die Versorgung der dort lebenden Flüchtlinge wird vom Land bezahlt, der Stadt aber auf ihr Kontingent angerechnet. So belasten wir den Wohnungsmarkt weniger, wir müssen nicht viele Turnhallen belegen, wir müssen weniger Extraklassen eröffnen. Ja, das läuft ganz gut.

Das Land will künftig für jeden Flüchtling 10.000 Euro zahlen. Sind damit die Kosten abgedeckt?

Hahn 10.000 Euro sind ein guter Anfang, aber die Nettobelastung der Kommunen ist höher. Bei den teuren Traglufthallen kommen wir mit 10.000 Euro nicht hin. Aber was ist schon gerecht? Bei den hohen Mieten in Düsseldorf ist die Unterkunft für Flüchtlinge kostspieliger als irgendwo auf dem Land. Das ist so.

Wieviel Personal müssen Sie für die Betreuung der Flüchtlinge abstellen?

Hahn Ich denke, dass rund drei Dutzend Mitarbeiter der Verwaltung nur noch in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. Zudem kaufen wir Dienstleistungen Dritter ein. Aber darüber hinaus müssen viele Mitarbeiter einen guten Teil ihrer Arbeitszeit den Flüchtlingen widmen. Das geht mir auch so. Wenn ich als Flüchtlingsbeauftragter der Stadt im Einsatz bin, bleibt die ein oder andere Akte etwas länger liegen.

Wird im Stadtgebiet Neuss eigentlich auch abgeschoben?

Hahn Ja. Das geht aber nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Die Erfolgsquote ist gering. In diesem Jahr hat es 33 Abschiebungen in Neuss gegeben; im Vorjahr 27. Hinzu kommen 17 freiwillige Ausreisen. Aber 39 Menschen sind der Abschiebung entgangen. Sie sind schwer erkrankt oder einfach untergetaucht.

Haben Sie Sorgen, wenn Sie auf die Flüchtlingssituation 2016 blicken?

Hahn Die Situation in Neuss ist doch wirklich beherrschbar. Aber wir benötigen für die Flüchtlinge Wohnraum und wir müssen ihnen eine berufliche Perspektive bieten. Auch das müssen wir verstehen und danach handeln. Gleichzeitig müssen alle Verantwortlichen aber auch den Menschen, die bereits hier leben - Deutsche und Migranten - und die auf die Hilfe der Stadt angewiesen sind, sagen, dass sie uns genauso wichtig sind und dass wir sie nicht vergessen. Es bleibt noch viel zu tun. Neuss ist aber gut vorbereitet.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE LUDGER BATEN

(NGZ)
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