Psychologen geben Rat "Abhängige sollten sich Hilfe suchen"

Neuss · Dr. Johann Endres gab gestern am NGZ-Telefon Ratschläge zum Umgang mit Suchterkrankungen. Nicht nur Betroffene meldeten sich bei ihm, sondern auch Angehörige, die nicht mehr weiter wissen. Endres warnte vor einer "Co-Abhängigkeit".

 Dr. Johann Endres ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und ist ärztlicher Leiter der Suchtabteilung am Neusser St.-Alexius/St.-Josef-Krankenhaus. Am NGZ-Telefon beriet er die Leser zum Thema Sucht.

Dr. Johann Endres ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und ist ärztlicher Leiter der Suchtabteilung am Neusser St.-Alexius/St.-Josef-Krankenhaus. Am NGZ-Telefon beriet er die Leser zum Thema Sucht.

Foto: woi

Die Sucht nach Alkohol und Drogen, sie betrifft nicht nur jene, die abhängig werden, sondern auch die Angehörigen. Das wurde gestern bei der NGZ-Telefonaktion deutlich. Dr. Johann Endres, ärztlicher Leiter der Suchtabteilung am Neusser St.-Alexius/St.-Josef-Krankenhaus, beantwortete dabei die Fragen von Menschen, die direkt und indirekt von Suchterkrankungen betroffen sind.

So meldete sich beispielsweise ein Neusser, dessen Ehefrau alkoholkrank ist, die aber jede Hilfe ablehnt. Auch eine Mutter, die von ihrem drogenabhängigen Sohn berichtete, fragte den Experten um Rat, weil dieser einen Entzug partout ablehne — und das obwohl er im Rausch einen Wohnungsbrand ausgelöst hatte. Endres riet diesen Betroffenen, sich Rat und Hilfe bei der Angehörigengruppe seines Krankenhauses einzuholen.

Denn Angehörige geraten leicht in eine "Co-Abhängigkeit" — sie sind selbst nicht süchtig, vertuschen aber die Abhängigkeit des Betroffenen oder finanzieren seine Sucht und verlängern damit die Abhängigkeitsdauer des Suchtkranken. "Oft stehen Angehörige unter großem Druck", sagt Endres. So geht es auch der Mutter am NGZ-Telefon: Ihr Sohn hat damit gedroht, den Kontakt abzubrechen, nun fürchtet sie das Schlimmste. Endres rät ihr, sich ihre eigenen Grenzen bewusst zu machen. "Sie sollten Ihren Sohn keinesfalls fallen lassen", rät der 63-Jährige. Aber Fürsorge müsse durchaus nicht Selbstaufgabe bedeuten.

Doch nicht nur Angehörige, auch Betroffene meldeten sich am NGZ-Telefon, darunter eine Frau, die ihren Alkoholkonsum im Gespräch mit dem Experten kritisch hinterfragte. Oft trinke sie abends Alkohol um vom Stress "herunterzukommen". Sie stehe mitten im Leben, sei berufstätig und habe mehrere Kinder, berichtete sie dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. "Ich trinke beinahe täglich", gab sie zu. Endres versuchte zunächst, die Anruferin zu beruhigen: Bei jedem Menschen sei die Grenze zur Abhängigkeit unterschiedlich, es gebe keine Pauschalangaben. "Aber das kann auch ganz schnell in eine Abhängigkeit kippen", warnte Endres.

Seinen Konsum zu hinterfragen, sei ein wichtiger erster Schritt, den viele Menschen gar nicht machen: "Sucht wird ja oft verdrängt", sagt Endres. Er riet der Frau, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, etwa an die Fachambulanz der Caritas unter 02131 889170. Dort könne dann in einem ausführlichen Gespräch erörtert werden, ob eine Sucht vorliegt. Möglich sei auch der Besuch der Suchtambulanz am St.-Alexius/St.-Josef-Krankenhaus — wer dorthin kommen möchte, braucht dafür allerdings eine Überweisung seines Hausarztes.

Weitere Frage, die viele Menschen beschäftigt, ist, ob bei einer Suchterkrankung sofort ein stationärer Aufenthalt notwendig ist. "Wichtig ist, dass man sich Hilfe holt und sich beraten lässt, das Problem also nicht ganz allein angeht", meint Endres. In einer Beratung könne auch geklärt werden, welche Therapieform die Richtige ist. Gerade das Thema Alkohol könne auch selbstständig gelöst werden, etwa mit Hilfe von Selbsthilfegruppen. "20 solcher Gruppen gibt es im Rhein-Kreis", sagt Endres. Ab einer gewissen Schwere der Sucht sei eine eigenständiger Entzug aber nicht mehr möglich — "weil es dann auch für den Körper gefährlich wird", erläutert der Experte, unter dessen Leitung am St.-Alexius/St.-Josef-Krankenhaus Suchtkranke behandelt werden, die in den meisten Fällen an der Sucht nach Alkohol, Heroin, Amphetamin oder Cannabis erkrankt sind.

(NGZ)
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