Neuss Als Deutschlehrerin für sechs Monate im Reich der Mitte

Neuss · Annika Habermann weiß, wie es sich anfühlt, prominent zu sein. Unzählige Male wurde sie zwichen Oktober 2015 und April dieses Jahres angestarrt, angesprochen und nach Fotos gefragt. Das lag jedoch nicht an einem Image als Weltstar, das die Neusserin gewiss nicht hat, sondern an ihrem für chinesische Verhältnisse exotischen Aussehen. Im besagten Zeitraum weilte die 19-Jährige nämlich in der Metropole Guangzhou. "Dort wird man als Europäer eben sehr oft angeschaut", sagt die Abiturientin, die in der 8,5-Millionen-Einwohner-Stadt ein halbes Jahr als Au-pair-Mädchen gearbeitet hat. "Nach dem Abi wollte ich unbedingt ins Ausland. Die Entscheidung für China kam dann recht schnell", erzählt die ehemalige Schülerin des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, die von sich selbst sagt, einen "Asien-Tick" zu haben.

 Annika Habermann beim chinesischen Neujahrsfest.

Annika Habermann beim chinesischen Neujahrsfest.

Foto: Habermann

Normalerweise kümmern sich Au-pair-Mädchen um kleine Kinder, passen auf sie auf, wenn die Eltern arbeiten. Annika Habermanns Auftrag war jedoch ein anderer. Sie reiste nach Guangzhou, um einem Mädchen namens Ying Fu - nur unwesentlich jünger als sie selbst - Deutsch beizubringen. "Sie möchte später in Deutschland studieren", sagt die 19-Jährige. Zuvor hatten sich die beiden jungen Frauen bereits bei Skype - einem Online-Telefon - kennengelernt.

Zwar beschreibt Annika Habermann China als "eine andere Welt", der Kulturschock hielt sich jedoch in Grenzen. "Ich habe vorher viel gelesen, damit ich nicht ins kalte Wasser geworfen werde", sagt sie. Um sich in China auch verständigen zu können - und vor allem, um ihre Aufgabe als Deutschlehrerein adäquat auszufüllen -, hat die 19-Jährige vor ihrer großen Reise einen Mandarin-Kursus in Düsseldorf besucht. Das Problem: Im südlich gelegenen Guangzhou wird Kantonesisch gesprochen.

War der Mandarin-Kursus also völlig umsonst? "Nein, mit Mandarin kann man sich dort auch verständigen", sagt die Neusserin, die regelrecht in die chinesische Kultur eintauchen konnte - egal, ob bei der Malerei, beim Töpfern oder beim sogenannten Lantern-Festival, das das Ende des chinesischen Neujahrs markiert. Am deutlichsten seien die deutsch-chinesischen Unterschiede jedoch im kulinarischen Bereich zu spüren gewesen: "Es gibt viele Vorurteile über das chinesische Essen, aber die meisten Gerichte fand ich lecker."

Es werden wohl nicht die letzten Geschmackserlebnisse dieser Art gewesen sein. Denn irgendwann möchte sie zurück nach China - dann aber in den Norden. "Städte wie Beijing oder Shanghai sind schon noch etwas anderes", sagt Annika Habermann, die bald eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste beginnt und danach Chinawissenschaften und Koreanistik studieren möchte. Einen weiteren Vorteil hätte ein Aufenthalt im Norden Chinas im Vergleich zum Süden zudem: Da es dort viel mehr Europäer gibt, werden sich Foto-Wünsche wohl in Grenzen halten.

(NGZ)
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