Neuss Annette Schavan sieht in 2016 ein Schicksalsjahr für Europa

Neuss · Die deutsche Botschafterin im Vatikan war Gastrednerin der CDU-Veranstaltung "Leitplanken".

 Lutz Lienenkämper (l.) und Hermann Gröhe mit Annette Schaven, die als Gastrednerin aus Rom an den Rhein gekommen war.

Lutz Lienenkämper (l.) und Hermann Gröhe mit Annette Schaven, die als Gastrednerin aus Rom an den Rhein gekommen war.

Foto: Georg Salzburg

Das "C" steht nicht ohne Grund im Namen der CDU. Daran erinnerte eindringlich einmal im Jahr die "Leitplanken-Veranstaltung" der CDU im Rhein-Kreis Neuss. Nun ging es um die Verantwortung der Christen vor Gott und den Menschen - ein höchst aktuelles Thema angesichts der Flüchtlingskrise. Zum ersten Mal konnte der Vorsitzende der Kreis-CDU, Lutz Lienenkämper, eine Frau als Rednerin vorstellen. Eine, die dem "C" besonders nah ist: Annette Schavan, einst Bundesbildungsministerin, ist seit 2014 deutsche Botschafterin im Vatikan. Sie weiß auch, wie Papst Franziskus in wichtigen Fragen denkt. Das machte den Abend höchst interessant.

Sebastian Ley vom CDU-Vorstand sprach aus, was viele Parteimitglieder umtreibt: "Die Menschen machen sich große Sorgen wegen der großen Zahl an Flüchtlingen. Wie sollen wir dem Wähler gegenübertreten?" Annette Schavan riet, einerseits die Sorgen nicht zu ignorieren, andererseits darauf hinzuweisen, dass man sich um Flüchtlinge als Christen kümmern müsse. "Das Flüchtlingsthema ist nicht für innerparteiliche Ränkespiele geeignet", erklärte die 60-Jährige.

Graf Bertram von Nesselrode aus Langwaden interessierte sich, wie der Vatikan über Deutschland denkt. "Der Papst ist höchst positiv gestimmt angesichts der Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen", erklärte die Referentin. Papst Franziskus habe eine Aufbruchstimmung in die katholische Kirche gebracht. Annette Schavan zitierte ihn mit den Worten: "Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee." Anders gesagt: Die Idee muss sich vor der Wirklichkeit behaupten.

Die Zeichen der Zeit müssten erkannt und gedeutet werden, um nicht zu verblassen, aus der Zeit zu fallen - das gelte für die Kirche, eine Volkspartei wie die CDU, aber auch für das Gemeinwesen allgemein. Schavan zitierte Heinrich Böll, der zwar kein Christdemokrat gewesen sei, wohl aber ein rheinischer Katholik: "Selbst die schlechteste christliche Welt würde ich der heidnischen vorziehen."

In ihrem sehr gehaltvollen Referat beschrieb Schavan das Verhältnis von Staat und Kirche: "Beide, Staat und Kirche, haben ihre eigene Logik, ihre eigene Rolle. Aus Religion darf man kein politisches Programm machen." Was sie am Islam behutsam kritisiert: "Man muss die heiligen Schriften historisch-kritisch lesen. Das haben wir auch erst lernen müssen." Sie sprach sich für ein mutiges Handeln aus wie Franz von Assisi es vorgelebt habe, indem er Aussätzige küsste.

Zu ihren Kernaussagen gehörte folgendes: "2016 wird das Schicksalsjahr für Europa. Der Umgang mit den Flüchtlingen ist eine Bewährungsprobe, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat." Und: "Religion ist nicht Vergangenheit, sie ist ganz präsent." Allerdings habe es mitunter den Anschein, als werde alles Ultraorthodoxe immer interessanter. Wichtig seien aber Liebe, Barmherzigkeit und Respekt - in der Kirche, aber auch in der Politik.

(NGZ)
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