Weihnachtsmarkt in Berlin Neusser Anschlagsopfer wünscht sich Gewissheit

Neuss/Berlin · Tag zwei nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt – und ein 40-jähriger Neusser weiß immer noch nicht, was aus seiner Mutter wurde. Der Lkw war durch die Glühweinbude gefahren, in der beide standen. Unmittelbar danach hatten sie noch Kontakt.

Berlin: Tag 1 nach dem Anschlag 2016 auf einen Weihnachtsmarkt
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Berlin am Tag nach dem Anschlag

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Foto: REUTERS/Pawel Kopczynski

Tag zwei nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt — und ein 40-jähriger Neusser weiß immer noch nicht, was aus seiner Mutter wurde. Der Lkw war durch die Glühweinbude gefahren, in der beide standen. Unmittelbar danach hatten sie noch Kontakt.

Der Mann, der in Berlin im Krankenhaus liegt, erinnert sich: Als der Lastwagen beide trennte und zwischen Toten, Verletzten und Trümmern zum Stehen kam, da lebte seine Mutter noch. "Ich wurde aus der Glühweinbude herausgeschleudert, habe mich nach ihr umgedreht und gerufen: Wo bist du?", sagt der Neusser. "Hier" war die Antwort. Dieses "Hier" habe er gehört, bevor er selbst zusammengesackt sei. Es war die letzte Nachricht von seiner Mutter. Ein Hoffnungsschimmer? "Wir gehen davon aus, dass wir sie verloren haben", sagt der Neusser für sich und seinen Vater, der gleich nach dem Unglück nach Berlin geeilt war. Aber die Gewissheit fehlt. Immer noch.

Auch bei den Polizeibehörden gibt es keinen neuen Sachstand. Das Bundeskriminalamt, das im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft ermittelt und damit auch für die Identifizierung der Opfer verantwortlich ist, hat allerdings in Neuss schon Röntgenfotos oder Abdrücke von den Zähnen der Frau angefordert.

Keine Informationen zum Verbleib der Mutter

Um sich Gewissheit zu verschaffen, hatte sich der Vater schon am Montagabend an die Polizei gewandt. Ohne Erfolg. Inzwischen hat er sich gemeinsam mit seinem Sohn nicht nur hilfesuchend an die extra eingerichtete Angehörigen-Hotline gewandt, sondern auf eigene Faust angefangen, die Krankenhäuser abzutelefonieren. Ohne Erfolg. "Ein Unding", sagt der Sohn. Denn ihre Ausweispapiere müsste die Vermisste bei sich getragen haben. "Sie hat mir zwar kurz vorher ihre Handtasche gegeben, damit ich darauf aufpasse", sagt er. "Aber da war nur das Handy drin."

Pressestimmen zum Anschlag in Berlin 2016 am Breitscheidplatz
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Das schreibt die internationale Presse

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Mutter und Sohn hatten seit Samstag gemeinsam eine Städtereise nach Berlin unternommen. Bevor es am Dienstag zurückgehen sollte, wollten beide am Abend zuvor auf dem Weihnachtsmarkt noch einen Absacker trinken. Durch die Glühweinbude, in der es sich beide dazu gemütlich gemacht hatten, raste wenig später der Attentäter mit dem gestohlenen Sattelschlepper.

Der Neusser selbst erlitt mehrere Beckenbrüche, blieb aber ansonsten unversehrt. 20 Minuten habe er auf der Straße gelegen, erinnert er sich, bevor er zur Behandlung in ein Zelt gebracht wurde. Von dort ging es in ein Berliner Krankenhaus, wo er in der zweiten Nacht nach dem Anschlag nur mit Hilfe von Tabletten etwas zur Ruhe kam, Schlaf fand. Ob er vielleicht für die Weihnachtstage in Richtung Heimat verlegt wird, wisse er nicht, sagt der Neusser. Auch nicht, wann und wo er eine Reha-Maßnahme bekommt. Nur das ist gewiss: "Das wird noch ein weiter Weg für mich."

(-nau)
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