Neuss Archäologen entdecken Römerhafen

Neuss · In einer Baugrube am Sporthafen stießen Archäologen auf ein Bodenprofil, das nur einen Schluss zulässt: Dort lag der unentdeckte Hafen für das Legionslager. Bohrungen lieferten gestern zwar keinen Beweis, aber weitere Indizien.

 So könnte der Römerhafen unterhalb des Legionslagers ausgesehen haben. Der wurde an einen Prallhang gebaut, weil dort das Wasser immer tief genug für Boote ist.

So könnte der Römerhafen unterhalb des Legionslagers ausgesehen haben. Der wurde an einen Prallhang gebaut, weil dort das Wasser immer tief genug für Boote ist.

Foto: Anja Klucke

Mit einer Annahme lag Constantin Koenen offenbar ziemlich daneben: Der bis heute unentdeckte Rheinhafen, den der Neusser Altertumsforscher westlich des von ihm Ende des 19. Jahrhunderts ausgegrabenen römischen Legionslagers vermutete, lag östlich davon, am heutigen Sporthafen. Das ist für die Neusser Archäologen so gut wie sicher, auch wenn Bohrungen, die im Auftrag des Landesamtes für Bodendenkmalpflege im Rahmen des Forschungsprojektes "Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter" vor Ort angestellt wurden, gestern keinen Beweis lieferten - wohl aber weitere Indizien. Die werden weiter verfolgt.

Dass der Römerhafen lokalisiert werden kann, ist einem Zufall zu verdanken. Denn als Michael Kaiser und Hermann Loosen von der städtischen Bodendenkmalpflege Ende 2014 daran gingen, die Baugrube für das inzwischen fertige Bootshaus des Neusser Kanu-Clubs zu inspizieren, da suchten sie nur einen Beleg für die äußere Umfassungsmauer des Koenen-Lagers. Den fanden sie - aber nicht den davor vermuteten Kastellgraben. Stattdessen stießen sie bei weiteren Sondierungen auf ein Profil, das nur 16 Meter von der Nord-Ostmauer des Lagers entfernt in einer Böschung bis auf Wasserniveau abfällt. Auf dem gewachsenen Boden, so berichtet Karin Striewe vom Bauverwaltungsamt, stieß man auf eine Schicht aus dem ersten Jahrhundert mit Ziegeln und Holzstücken, die nur einen Sinn ergeben: Dort müssen befestigte Hafenanlagen gewesen sein.

Mit dem Standort ist nicht nur die Frage geklärt, warum große Lagerhäuser direkt an der Nordostmauer lagen. Er fügt sich auch gut und richtig in ein anderes Vorhaben ein, bei dem Bodendenkmalpfleger, Liegenschaftsverwaltung und das Clemens-Sels-Museum mit seiner landeskundlichen Abteilung versuchen, den Rheinverlauf zur Römerzeit nachzuzeichnen.

Solche Rekonstruktionsversuche hat es auch in vergangenen Jahrhunderten gegeben, erklärt Carl Pause, der im Museum für die Stadtgeschichte zuständig ist. Gerade arbeitet er an einer Ausstellung mit dem Titel "Der Limes in Novaesium - Vom Leben an der römischen Grenze", die am 26. Juni eröffnet werden soll. Sie dokumentiert auch die Forschung zum Rheinverlauf. Sie basiert in erster Linie auf einem Höhenprofil, das Martin Stitz von der Liegenschaftsverwaltung der Stadt aus den Daten einer Befliegung und digitalen Vermessung durch das Landesvermessungsamt ableiten konnte. Aber auch andere Datenbestände zog man heran.

Erste Erkenntnis: Der Wasserstand des Rheins lag in römischer Zeit zwei Meter über dem heutigen. Das heißt für Pause nicht nur, dass man sich ein anderes Bild von der damaligen Landschaft machen muss ("Es gab ausgedehnte Sümpfe"), sondern dass es linksrheinisch für die Römer nur zwei größere zusammenhängende und immer trockene Siedlungsflächen gab: Gnadental, wo das "Koenen-Lager" gebaut wurde, und der heutige Büchel, wo die römische Zivilsiedlung ("Vicus") entstand. Östlich davon lag das "Hochwasserbett", innerhalb dessen sich der Rhein immer wieder verlagerte. Damit war erst vor 200 Jahren Schluss, als der Strom begradigt und eingedeicht wurde.

Zur Römerzeit war demnach der heutige Uedesheimer Rheinbogen von Rinnen durchzogen. Unmittelbar unterhalb des Reckbergs, auf dem ein kleines Römerkastell stand, floss der Strom aber nicht vorbei. Den Beweis dazu lieferte Michael Kaiser, der römische Keramik in diesem Bereich fand. Wenige hundert Meter flussabwärts - in Höhe des heutigen Grimlinghausen - traf der Fluss auf den Quinheimer Berg, den er im Spätmittelalter samt gleichnamiger Siedlung wegspülte.

Die Erft, über die in römischer Zeit eine Brücke führte, mündete ungefähr am heutigen Sporthafen in den Rhein, der damals parallel zum Bett des heutigen Nordkanals bis auf die Höhe des Vicus floss und am heutigen Sporthafen einen Prallhang hatte. Wassersicher - und ein idealer Platz für einen Hafen.

(-nau)
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