Neuss Archäologen legen Siedlung der Eisenzeit frei

Neuss · In Holzheim waren schon vor der Zeitenwende Bauern sesshaft. Wo sie siedelten, kampierte im 30-jährigen Krieg ein Haufen Söldner.

 Die Thomas-Schütte-Stiftung baut unterhalb der Raketenstation eine Skulpturenhalle. Bei archäologischen Grabungen wurde deutlich: Dort siedelten schon in der Eisenzeit Menschen.

Die Thomas-Schütte-Stiftung baut unterhalb der Raketenstation eine Skulpturenhalle. Bei archäologischen Grabungen wurde deutlich: Dort siedelten schon in der Eisenzeit Menschen.

Foto: woi

Was der eine oder andere Lokalpatriot vielleicht vermutet hat, scheint jetzt wissenschaftlich belegt: Die ersten Neusser - waren Holzheimer. Denn bei Grabungen auf einer Ackerfläche unterhalb der Raketenstation wurden Funde gemacht, mit denen nach Ansicht von Uwe Schoenfelder von der Grabungsfirma Archbau "erstmals eine eisenzeitliche Siedlung sicher nachgewiesen werden kann". Aber das muss nicht das letzte Wort der Archäologie gewesen sein.

 Die Skizze der Grabungsfunde belegt, dass in der Siedlung schon Jahrhunderte vor der Zeitenwende Arbeiten und Wohnen getrennt wurde.

Die Skizze der Grabungsfunde belegt, dass in der Siedlung schon Jahrhunderte vor der Zeitenwende Arbeiten und Wohnen getrennt wurde.

Foto: Archbau.com

Die Holzheimer Funde datieren die Experten in die Zeit zwischen 620 und 380 vor Christus. Sie sprechen von der Hallstattzeit (620-450) beziehungsweise der frühen Laténezeit (450-380). Aus diesen frühgeschichtlichen Jahrhunderten sind im Stadtgebiet auch an anderen Stellen wie etwa in Norf Siedlungsspuren nachgewiesen, doch seien das Einzelgehöfte gewesen, merkt Michael Kaiser als Bodendenkmalpfleger der Stadt an.

 Bei den Grabungen wurden Spuren eines Grubenhauses gefunden, das bis in eine Tiefe von 45 Zentimetern als Profil erhalten war.

Bei den Grabungen wurden Spuren eines Grubenhauses gefunden, das bis in eine Tiefe von 45 Zentimetern als Profil erhalten war.

Foto: Archbau.com

Dass schon vor diesen Menschen Bauern in Neuss sesshaft wurden, schließt er ebenso wenig aus wie Bernd Gerigk vom Archäologie-Arbeitskreis des Heimatvereins Holzheim. "Wir haben Fundplätze aus der Jungsteinzeit, aber keine Grabungsergebnisse", sagt Gerigk. Die Verdachtsflächen - auch davon eine in Holzheim - seien aber dem Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland mitgeteilt und kartiert worden. "Wenn dort gebaut wird, geht es los", sagt er.

 Bei den Keramiken aus der Eisenzeit handelte es sich um Reste von Schalen und kugelige Töpfe. Einzige Ausnahme war der Boden eines becherartigen Gefäßes.

Bei den Keramiken aus der Eisenzeit handelte es sich um Reste von Schalen und kugelige Töpfe. Einzige Ausnahme war der Boden eines becherartigen Gefäßes.

Foto: ""

Die Grabung in Holzheim macht zwei Probleme der Archäologie deutlich: den Kampf gegen Raubgräber und die Finanznot. "Für Forschungsgrabungen haben wir kaum Kapazitäten", sagt Uwe Steinkrüger vom Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland. In fast 95 Prozent der Fälle würden Grabungen mit Bauvorhaben verbunden und zum Teil von Fachfirmen geleistet. Das wird ab Ende Januar auf der Baustelle des "Kastellum" geschehen, einem Wohn- und Geschäftshaus an der Kastellstraße. Das war auch in Holzheim so, wo der Künstler Thomas Schütte derzeit eine Skulpturenhalle errichtet.

 Eisenschrott und Keramik aus der Neuzeit fanden sich in Feuerstellen, die zeitlich dem 30-jährigen Krieg zugeordnet werden. Sie waren Teil eines Soldatenlagers.

Eisenschrott und Keramik aus der Neuzeit fanden sich in Feuerstellen, die zeitlich dem 30-jährigen Krieg zugeordnet werden. Sie waren Teil eines Soldatenlagers.

Foto: ""

Die Grabung dort wurde von Bernd Gerigk interessiert mitverfolgt. Er hat vom Landschaftsverband Rheinland die Berechtigung für Feldbegehungen erhalten und darf sich sozusagen mit Wissen der Behörde auf die Suche nach den Resten früherer Kulturen machen. Viele andere tun das, ohne zu fragen - und widerrechtlich. Raubgrabungen, erklärt Uwe Steinkrüger, seien ein großes Problem. Nicht nur die Landwirte würden sich ärgern, "wenn die nachts mit Laternen über die Felder laufen", sagt er, sondern auch die Arbeit der Archäologen werde erschwert. Denn diese Schatzsucher suchen auch in laufenden Grabungen auf eigene Faust. "Stecken sie etwas ein, ist das Fundunterschlagung", sagt Steinkrüger.

Auch wegen der Raubgräber werden große archäologische Projekte wie in Holzheim nicht an die große Glocke gehängt. Und selbst das Fachpublikum erfuhr nur von den Ergebnissen, weil Schoenfelder und seine Kollegen Dieter Hupka und Peter Motsch sie im Jahresbuch "Archäologie im Rheinland 2014" veröffentlichten, das der Landschaftsverband vergangenes Jahr vorlegte.

Schoenfelder und Kollegen legten auf einer 15.000 Quadratmeter großen Fläche Pfostenreste von mehreren Gebäuden und mehrere Keramiken frei. Diese Funde seien, so Schoenfelder, in einem eher schlechten Zustand. Denn die Fläche der frühgeschichtlichen Siedlung wurde und wird zum Teil noch immer beackert. Diese Siedlung, so weiß Gerigk, reicht noch über die reine Ausgrabungsfläche hinaus. Doch allein die gefundenen Reste offenbaren, dass es schon in der Eisenzeit eine Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten gab.

So eindeutig die Spuren aus der Eisenzeit waren - Rätsel gaben die Reste von 25 Lagerfeuern auf, die auf der gleichen Fläche offengelegt wurden. Sie konnten schließlich auf die Zeit des 30-jährigen Krieges datiert werden, denn in den Feuerstellen fand man Keramiken und Eisenschrott. "Diese Metallteile, überwiegend Scharniere, Beschläge und Nägel, könnten von Fensterläden, Türen und Kisten stammen", schreibt Schoenfelder. Seine Vermutung: Söldner hatten Bauernhöfe ringsum geplündert und alles Brennbare zum Verheizen mitgenommen.

(-nau)
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