Neuss Architekt kehrt zu seinem Werk zurück

Neuss · Die Versöhnungskirche wird 50 Jahre. Mit dem Bauleiter Otto Saarbourg besuchte die NGZ das Gotteshaus.

Neuss: Architekt kehrt zu seinem Werk zurück
Foto: ""

Mit schnellen Schritten steigt Otto Saarbourg die Treppen hinauf zur Empore, auf der sonst Orgelspieler und Chor ihren Platz finden. Dort angekommen stützt sich der 89-Jährige kaum erschöpft auf das Geländer, lässt seine Blicke durch den imposant wirkenden Gottesraum schweifen. Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das Fensterband, das die Kirche säumt. An diesem Nachmittag ist es still hier. Der Konfirmandenunterricht beginnt erst in einer halben Stunde. "Alles wirkt so harmonisch", sagt Otto Saarbourg und freut sich. Lange Zeit sei er nicht mehr hier gewesen, in der Versöhnungskirche an der Furtherhofstraße. Dabei ist das Gebäude sein Werk, trägt seine Handschrift. Der Architekt und Bauleiter von damals blickt nach oben und zeigt auf das Dach: "So eine Konstruktion war in den 60ern schon einzigartig und ist es auch heute noch - ich kenne nichts Vergleichbares."

 Der 89-jährige Architekt Otto Saarbourg (links) hat die am 23. Januar 1966 eingeweihte Versöhnungskirche gebaut. Die Luftbildaufnahme (Mitte) zeigt, wie das Gotteshaus heute aussieht. Auf dem rechten Bild: Arbeiter beim Anbringen der jeweils 17 Tonnen schweren Dachhälften im Juni 1965.

Der 89-jährige Architekt Otto Saarbourg (links) hat die am 23. Januar 1966 eingeweihte Versöhnungskirche gebaut. Die Luftbildaufnahme (Mitte) zeigt, wie das Gotteshaus heute aussieht. Auf dem rechten Bild: Arbeiter beim Anbringen der jeweils 17 Tonnen schweren Dachhälften im Juni 1965.

Foto: woi, Kirche, Stadtarchiv

Am 23. Januar 1966 feierte die evangelische Gemeinde in der Nordstadt die Einweihung der Versöhnungskirche. Neben der bereits vier Jahre zuvor für die damals rasant steigende Zahl der Protestanten in Neuss erbauten Reformationskirche bildete sie fortan ein zweites Zentrum für die Gläubigen vor Ort. Doch der Kirche mit der einzigartigen Dachkonstruktion droht das Aus. Denn obwohl das 50-jährige Bestehen am kommenden Wochenende, 30. und 31. Januar, mit einem Konzert und einem Festgottesdienst groß gefeiert wird, ist die Zukunft des Gebäudes ungewiss. Wie lange das Gotteshaus den Gläubigen noch in seiner ursprünglichen Bestimmung erhalten bleibt, kann selbst die Presbyteriumsvorsitzende Angelika Tillert nicht sagen.

Trotz aller Schönheit, die das an manchen Ecken in die Jahre gekommenen Gebäude noch immer ausstrahlt, muss bald eine Entscheidung über seine Zukunft gefällt werden. Seit 2012 steht fest, dass die Reformationskirchengemeinde eines ihrer beiden Zentren in der Nordstadt aufgeben muss. Als Gründe nennt Tillert sinkende Zahlen bei den Gemeindemitgliedern und zunehmend weniger Geld, das zur Verfügung stünde. Die Mitgliederzahl habe sich in den vergangenen Jahrzehnten etwa halbiert. Waren es 1965 noch 11.985 Gläubige in der Nordstadt, zählt die Reformationskirchengemeinde aktuell 5906. "Derzeit lassen wir eine Machbarkeitsstudie an der Reformationskirche durchführen", erklärt Angelika Tillert. "Ende Februar erwarten wir ein Ergebnis. Dann werden wir uns im Presbyterium zusammensetzen und eine Entscheidung treffen."

Der Architekt Otto Saarbourg erinnert sich an die Anfänge. "Begonnen hat alles mit einem Architektenwettbewerb", berichtet Otto Saarbourg beim Gang durch die Kirche. "Ich hatte einen Entwurf skizziert und damit die Jury überzeugt. Das war schon eine große Sache und der bis dato größte Auftrag für mich." Doch aller Anfang ist bekanntlich schwer. "Ich musste erst einmal grübeln, wie ich die Idee auch in die Tat umsetzen konnte", sagt der Diplomingenieur und lacht. "Gemeinsam mit der Firma Holz-Krupp kamen wir schließlich darauf, die beiden großen Dachflächen direkt auf dem Geländeboden aus Holzleimbindern zu verzimmern", sagt Saarbourg. Der Höhepunkt beim Bau: Die Anbringung der jeweils 17 Tonnen schweren Dachflächen. "Sie wurden mittels 75 Tonnen schwerer Baukräne in die Höhe gehoben und auf die Betonwiderlager präzise abgesetzt", erklärt der 89-Jährige. "Und siehe da: Es passte!"

Zu den Feierlichkeiten am kommenden Wochenende will Otto Saarbourg noch einmal in der Versöhnungskirche vorbeischauen. Schließlich ist sie noch immer sein Werk.

(sb)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort