Serie Reise In Die Römerzeit Auf den Spuren römischer Siedler und Soldaten

Neuss · Michael Kaiser hat im Dienst der städtischen Archäologie Pionierarbeit geleistet. Morgen geht er offiziell in Rente.

Neuss "Oft habe ich mich als ,Entstatter' gefühlt", gesteht Michael Kaiser. Damit spielt der Archäologe, der seit 1983 für die Abteilung Bodendenkmalpflege im Amt für Stadtplanung unter anderem Ausgrabungen aus der Römerzeit leitet, auf seine häufigsten und wertvollsten Fundstücke an: Urnen aus einer Zeit, in der Neuss Teil des Römischen Reiches war.

1989 etwa, als in Norf ein Golfplatz entstehen sollte, wurden, bevor die Bagger die erste Schaufel Erde aushoben, die Archäologen gerufen. Das Ergebnis: "Bei dieser großen Flächengrabung haben wir eine der reichhaltigsten römischen Siedlungsstellen in Neuss entdeckt - ein römisches Militärlager, das Ende des vierten nachchristlichen Jahrhunderts angelegt wurde und als spätestes römisches Lager in Neuss gilt", erzählt der 65-Jährige, der heute seinen offiziell vorletzten Arbeitstag hat. Als einer von zwei Archäologen hat Kaiser nach seiner Einstellung, die anlässlich der 2000-Jahr-Feier von Neuss im Jahr 1984 erfolgte, Pionierarbeit geleistet: "Zunächst hieß es Ackertreten, das heißt: Ich habe alle bekannten römischen Fundstellen begutachtet und eine Fundstellenkartei angefertigt", erzählt Kaiser. Prompt hat er gemeinsam mit seiner Kollegin Sabine Sauer damals in Rosellen mit Hilfe von Luftbildprospektionen und Geländebegehungen Reste eines bislang unbekannten Vicus, einer römischen Zivilsiedlung, mit einem Gräberfeld lokalisiert. "Unser Ziel ist es, das, was wir aus der Römerzeit finden, nicht unbedingt auszugraben, sondern für die Nachwelt im Boden zu bewahren", erklärt Kaiser.

Vor allem durch Luftaufnahmen haben die Archäologen im Neusser Stadtgebiet zahlreiche römische Siedlungsstellen und Straßen entdeckt. Am Reckberg etwa, zwischen Grimlinghausen und Uedesheim, fanden sie zwischen dem Rheinufer und der nach Uedesheim führenden Römerstraße ein Praetorium, also eine Beherbergungs- und Handelsstation. "Obwohl wir ahnten, wo in Neuss Römisches zu finden war, stießen wir immer wieder auf Unerwartetes, wie auf dem Golfplatzgelände", erzählt Kaiser. Oder bei der Entdeckung des so genannten Lagers 0, das sich unter dem Lager A, das bis 2012 in Novaesium, dem ehemaligen Legionslager Neuss in Gnadental, als ältester Garnisonsplatz aus dem Jahr 16 vor Christus galt. Doch 2012 fanden Kaiser und seine Kollegen bei Ausgrabungen vor einer Wohnbebauung einen römischen Grabenabschnitt und Scherben, die zeigten, dass die Römer schon rund zehn Jahre früher in Neuss unterwegs waren. "Sie hatten an gleicher Stelle des Lagers A schon um 27 vor Christus in Neuss ein Lager errichtet - das war eine Sensation", erklärt er. Wo römische Militärlager oder Siedlungen gefunden werden, kommen unzählige Fundstücke ans Licht. Im Laufe der Jahre, erzählt Kaiser, haben die Archäologen der Bodendenkmalpflege rund 2500 Kisten solcher Funde aus Grabungen angesammelt. Keramik, Gläser, Fibeln und Münzen müssen gewaschen, beschriftet und in Inventarlisten aufgenommen werden. Mit dem Ordnen seiner römischen Schätze ist Michael Kaiser noch nicht fertig - daher verschlage es ihn auch künftig öfter einmal nach Neuss, sagt der Pensionär, der seinen Ruhestand in Alf an der Mosel genießen will. Für die nächste Zeit hat er sich aber einiges vorgenommen: Zwar macht er keine Zeitreisen mehr auf römischen Ausgrabungsstätten - aber in Rom selbst war der Archäologe noch nicht.

(NGZ)
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