Neuss Aus dem Atelier direkt in die Alte Post

Neuss · Die Jahresausstellung "Kunst aus Neuss" findet zum 69. Mal statt und leidet weder unter einem Mangel an Möglichkeiten noch an aufregenden Werken. 44 Künstler zeigen in der Alten Post ein Einblick in ihr aktuelles Schaffen.

 Ein Beispiel für das Spiel mit Kontrasten: Fotografie (von Stefanie Minzenmay), Malerei (von Jürgen Hartwig) und Bildhauerei (von Carola Eggeling).

Ein Beispiel für das Spiel mit Kontrasten: Fotografie (von Stefanie Minzenmay), Malerei (von Jürgen Hartwig) und Bildhauerei (von Carola Eggeling).

Foto: Woi

Es kling wie ein Widerspruch, wenn der Kurator einer Ausstellung sagt, dass er Absagen von Künstlern als "Glücksfall" empfindet. Im Fall der aktuellen Jahresausstellung in der Alten Post ist das aber nachvollziehbar. Jedes Jahr will die Schau einen Überblick über in Neuss und Umgebung arbeitende oder auch lebende Künstler bieten; jedes Jahr lädt Klaus Richter dazu Kollegen ein; jedes Jahr muss er überlegen, wer auf die Einladungsliste kommt. 48 Künstler hat er dieses Mal angeschrieben, 44 haben zugesagt: "Das ist eigentlich die Grenze", sagt er - vor allem in Erinnerung an das vergangene Jahr, als er die Arbeiten von 46 Künstlern in der Alten Post unterbringen musste.

"Kunst aus Neuss" - so der schlichte Titel, seit die Schau in der Alten Post stattfindet - vereint unterschiedliche Positionen in einem Genre ebenso wie Arbeiten aus der kompletten Breite der bildenden Kunst: abstrakte und figürliche Malerei, filigrane oder comicartige Zeichnung, menschenferne und menschenrelevante Fotografien, Collagen, Installationen und Bildhauerei. Statt in diesen Unterschieden für die Hängung nach Gemeinsamkeiten zu suchen, setzt der städtische Kurator sinnigerweise auf Kontrast und damit die Räume der Alten Post unter Spannung. Was im vergangenen Jahr nach seinen Worten noch Not war, nämlich aus den vielen unterschiedlichen Arbeiten eine Ausstellung zu machen, hat er jetzt zu einer Tugend erhoben.

Ein Durcheinander entsteht dennoch nicht, da jedes Kunstwerk genau da platziert zu sein scheint, wo es auch hingehört und es wirken kann. Das heißt auch, dass sich mancher Künstler an zwei Stellen wiederfindet: in der ersten Etage und im großen Saal etwa. Letzteren teilen zudem zwei Stellwände - so ergeben sich selbst für jenen, der den Raum gut kennt, ganz neue Sichtachsen.

Dass unter den ausstellenden Künstlern mittlerweile mehr Frauen als Männer sind (28 von 44) sei Zufall, sagt Klaus Richter. Dass von den acht "Neuen" nur einer ein Mann ist, ebenso. "Ich schaue bei der Auswahl nicht auf das Geschlecht, sondern nur auf die Arbeit", erklärt Richter. Oder auch auf die enge Verbindung zur Alten Post - was einige Werke, etwa von langjährigen Kursteilnehmern, zeigen. "Manchmal muss man Menschen auch einen Rahmen geben", sagt Richter dazu diplomatisch.

Das Besondere an der Jahresausstellung ist, dass alles möglich ist. Das schließt die Fähigkeit von arrivierten Künstlern ein, sich ständig weiterzuentwickeln, gar neu zu erfinden. Ebenso die Entdeckung von ganz jungen Künstlern, die noch am Anfang ihrer Ausbildung stehen und jetzt schon Großes ahnen lassen. Und auch das Wiedersehen mit jenen Künstlern, deren Arbeiten das eigene Leben seit vielen Jahren begleiten. Und wie schön, dass Richter feststellen kann: "In Neuss gibt es einen unglaublichen Zuwachs an guten Künstlern."

(hbm)
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